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Der Correferent, Prof. W. Vogt aus Augsburg, betonte für die akademischen Vorlesungen den Werth des freien Vortrages und verlangte für die Seminarien eine über lange Zeiträume sich erstreckende Beschäftigung mit der Quellenliteratur, ohne übrigens der geistigen Schulung an Hand einer speciellen historischen Aufgabe ihre Bedeutung absprechen zu wollen. Mit warmem Eifer trat er dann zum Schluss für eine gründliche historische Ausbildung des Geschichtslehrers an den Mittelschulen, mit besonderer Exemplificirung auf Baiern, ein, verlangte, dass die Forderung eines vierjährigen ausschliesslichen und eindringlichen Studiums der Geschichte und ihrer Hilfswissenschaften in die Prüfungsordnungen aller Deutschen Staaten aufgenommen werde, und endete mit einem Aufruf an alle Fachgenossen, durch Unterstützung seiner Forderungen das Recht der Geschichtswissenschaft durchsetzen zu helfen.

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In der Discussion, die in der 2. Sitzung am Nachmittag desselben Tages fortgesetzt wurde, spielte namentlich das sogen. Leipziger Programm, d. h. die „Rathschläge für das Studium der mittleren und neueren Geschichte“, die den Mitgliedern des Leipziger historischen Seminars eingehändigt werden, eine Rolle, und zwar wurde es im Princip als ein Verdienst um die Förderung des Geschichtsstudiums anerkannt, wenn auch von verschiedener Seite geltend gemacht wurde, dass nicht alles, was an einer wohlausgestatteten Universität wie Leipzig möglich sei, sich auch an einer kleineren Universität erreichen lasse. Im übrigen bekannte Prof. Finke (Münster), nicht die hohe Werthschätzung des freien Vortrags zu haben, wie der Correferent, und forderte Prof. Brückner (Jena) in Anbetracht einer gewissen Unklarheit über die Begriffe der politischen und der Culturgeschichte für den nächsten Historikertag eine Discussion über das Wesen der Culturgeschichte.

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Dass in dieser ganzen Verhandlung wesentlich neue Gesichtspunkte vorgeführt seien oder dass sich etwa fruchtbare Resultate ergeben hätten, lässt sich kaum behaupten. Es war sehr auffallend, wie diese Erörterung, an der sich doch lauter Fachleute betheiligten, über Allgemeinheiten, wie sie in populären Revueaufsätzen dargeboten zu werden pflegen, nicht hinauskam. Man hätte bestimmte Vorschläge und Gegenvorschläge über Anlage des Studiums, Eintheilung der Vorlesungen etc., wie sie aus der Fülle eigener Erfahrungen erwachsen können, erwarten sollen. Davon aber brachte die ganze Verhandlung, die durch die Referate schon rettungslos in das Fahrwasser der Allgemeinheiten gelenkt wurde, so gut wie gar nichts; die Enttäuschung darüber kam durch Prof. Prutz, der als Erster in der Discussion das Wort ergriff, auch deutlich genug zum Ausdruck.

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Nach Schluss der Discussion hielt Prof. Bücher (Leipzig) einen Vortrag über den „Haushalt der Stadt Frankfurt im Mittelalter“, der inzwischen in der Z. f. die ges. Staatswissenschaft erschienen ist.

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Die 3. Sitzung, am 19. April Vormittags, wurde ausgefüllt durch den zweiten Verhandlungsgegenstand, die Berathung über die Grundsätze, welche bei der Herausgabe von Actenstücken zur neueren Geschichte zu befolgen sind. Prof. Stieve (München) hatte in Folge Beschlusses des Leipziger Historikertages solche Grundsätze bearbeitet und

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_365.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2023)