Seite:De DZfG 1895 12 374.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

wahrlich nicht unterschätzt, so häufig Frauen von hoher Bedeutung – voran solche wie Brunhilde und Fredegunde – lediglich in den Anmerkungen unter?

[490

Von Umstellungen und geringfügigeren Aenderungen abgesehen, fällt gegenüber der früheren Anlage des Werkes auf, dass einzelne Tafeln mit anderen zusammengearbeitet, dafür viele in mehrere getheilt und einige ganz neu aufgenommen worden sind. Die Zahl der Tafeln ist dadurch von 38 auf 56 gewachsen. An dem Zuwachs participiren die mittlere und die neuere Geschichte zusammen mit nur 10, die neueste allein mit 8 Tafeln. Aus den 20 Stammbäumen zur neuesten Geschichte sind jetzt 31 geworden, die bis auf die Gegenwart fortgeführt sind. Wenn aber neben dem kleinen Boris von Bulgarien und den sieben Kindern Kaiser Wilhelm’s II. auch die sieben Schwestern Adelgunde, Marie, Mathilde, Hildegarde, Wiltrud, Helmtrudis, Gundelinde von Baiern ausführlichst aufgezählt werden, so geht derlei doch zu weit: wir dürfen nicht vergessen, dass wir doch ein von einem Historiker für Historiker verfasstes Buch und nicht den Gothaer Almanach vor uns haben. Welch’ ein Widerspruch! In diesem zum Studium der Vergangenheit bestimmten „Handbuch“ ist gegenwärtigen Verhältnissen, die vielleicht nie historische Bedeutung bekommen, ein Umfang eingeräumt, der den Zuständen der Vergangenheit versagt wird.

[491

Indem wir auf jede Discussion der Lorenz’schen Lehre wiederum verzichten, müssen wir unsern Haupteinwand dahin formuliren, dass wir fragen: Wozu jetzt noch Lücken, nachdem mit dem Schematisiren der 1. Auflage doch gebrochen worden ist? Ein kleiner Schritt noch, und wir besässen mit diesem Atlas ein handliches Nachschlagebuch für genealogische Fragen. Aber in seinem Doctrinarismus – hier scheint uns dieses Wort ausnahmsweise einmal zu passen – hat der Verfasser Vollständigkeit auch jetzt nicht beabsichtigt und auch da nicht durchgeführt, wo Raum und Uebersichtlichkeit es leicht gestattet hätten. Diese gewollte Weglassung einzelner Namen und Zweige lässt in dem Benützer niemals das Gefühl der Sicherheit aufkommen, welches durch das Bewusstsein relativer Vollständigkeit erweckt zu werden pflegt.

[492

Stellt man sich aber auf den Boden jener anfechtbaren Ideen, so wird man, fürchte ich, die getroffene Auswahl manchmal erst recht nicht begreifen. Ein Beispiel: Auf Tafel VIII stellt L. „Habsburger und Wittelsbacher“ neben einander, im Text spricht er des Breiteren über die Bedeutsamkeit ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen, auf der Tafel aber fehlt jener Heinrich (III.) von Niederbaiern, der eine Habsburgerin, Friedrich’s des Schönen Tochter Anna, zur Frau hatte. Man wendet vielleicht ein: Jener Heinrich und jene Heirath sind nicht bedeutend genug, um aufgeführt zu werden. Zugegeben; dann aber konnten mit demselben und besserem Rechte noch andere Glieder des Niederbaierischen Stammes fehlen, die genannt sind, obwohl ihnen nicht einmal soviel Bedeutung zukommt wie jenem Heinrich III. Oder: Gerade wer genealogische Studien über das Blühen und Erlöschen von Geschlechtern so hochschätzt, musste – wir bleiben bei dem Wittelsbachischen Stammbaum – die zahlreiche männliche Nachkommenschaft des Kurfürsten Max Emanuel von Baiern stärker betonen,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_374.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2023)