Seite:De DZfG 1895 12 375.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

weil bei der Fruchtbarkeit seiner beiden Ehen das in der übernächsten Generation erfolgte Aussterben der Linie Kaiser Ludwig’s unerwartet kommt und weil dadurch zugleich der Uebertritt nachgeborener Prinzen zum geistlichen Stande in seinen Wirkungen praktisch ans Licht gesetzt wird. Verspricht man sich von solchen Studien überhaupt einen Erfolg, so ist es bestimmt falsch, wie es meist bei Lorenz geschieht, die vor dem Vater gestorbenen Söhne wegzulassen; denn es wird hiedurch das Bild von der Lebenskraft einer Familie wesentlich alterirt.

[493

Das Gefühl mit dem man den „genealogischen Handatlas“ weglegt, ist das des Bedauerns, dass die Arbeitskraft des Verfassers und seiner Mitarbeiter, die handliche Einrichtung und die erwähnenswerth gefällige Ausstattung nur ein Werk zu Tage gefördert, das bei vielen Vorzügen fast auf jeder Seite zu solchen und ähnlichen Ausstellungen Anlass bietet. Nachdem aber schon die 2. Auflage zu einem so grossen Zugeständniss an die Majorität unserer Fachgenossen geführt hat, ist vielleicht die Hoffnung nicht zu kühn, dass uns eine 3. Ausgabe die ersehnte, für alle Zwecke ausreichende Genealogie bringen wird.

[494

Erklärlicher Weise ist mit dem Umfang leider auch der Preis des Lorenzschen Buches gewachsen: während die 1. Auflage mit 3 Mark wirklich so billig wie ein vielgekauftes Schulbuch angesetzt war, kostet die neue Auflage gebunden 7 Mark, womit allerdings der Durchschnittspreis solcher Publicationen noch keineswegs überschritten ist.     [-r]

[495

Mit dem in dieser Zeitschrift schon kurz erwähnten Manuel de diplomatique von A. Giry (Paris, Hachette. 1894. xij 944 p. 20 Fr.) bietet der Verfasser, der als Lehrer an der Ecole des Chartes und fleissiger Forscher auf dem Gebiet der Diplomatik in seiner Person praktische Erfahrung und wissenschaftliche Durchbildung vereinigt, seinen Schülern und Fachgenossen ein Doppeltes: ein Lehrbuch, das die Schüler in das Studium der urkundlichen Geschichtsquellen einführen soll, und zugleich ein Handbuch für die Fachgenossen, das das Nachschlagen der verschiedensten voluminösen Hilfsmittel ersparen und diese für gewöhnlich ersetzen soll. Es ist nach seiner ganzen Anlage weitumfassend, wie bei uns etwa der Leist’sche Katechismus, hält aber nach Art der Bearbeitung die Mitte zwischen einem solchen wesentlich compilatorischen Buche und einem Werke intensiver eigener Forschung, wie es bei uns Bresslau’s Urkundenlehre ist.

[496

Im Gegensatz zu Bresslau entschloss sich Giry, der juristischen Seite des Urkundenwesens, ferner den Verzweigungen des Kanzlei- und Schreiberdienstes, endlich dem mittelalterlichen Archivwesen wenig oder gar keinen Raum zu gewähren. Unkenntniss der gerade auf diesen Gebieten weit vorgeschrittenen Deutschen Forschung ist der Grund hiefür sicher nicht gewesen: denn auf Schritt und Tritt kann man sich bei Giry überzeugen, dass er die Ergebnisse Deutscher Arbeit in seinem Fache genau kennt und in ausgedehntem Maasse berücksichtigt. Ebensowenig haben ihn Lücken in der Kenntniss der Französischen Verhältnisse veranlasst, einer Frage aus dem Wege zu gehen: in solchen Fällen strebte er mit Erfolg, durch eigene Untersuchungen den Dingen auf den Grund zu kommen. Das Fehlen der

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_375.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2023)