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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

würden; die Prosperität des Ortes schien gefährdet, wenn sie mich nicht zum Tode verurteilten. Darauf entwarf er ein düsteres Bild meiner moralischen Verworfenheit. Er skizzierte meinen Lebenslauf, der nach vielversprechendem Anfang rasch in einen Sumpf geführt hatte; immer tiefer war ich darin versunken, bis mir schließlich „Verzweiflung die Mordwaffe in die Hand gedrückt“. Ja, und da hatte ich zuerst in Paris versucht, meine Schwiegermutter zu töten, es war nicht geglückt, aus Gründen, deren Untersuchung zu weit führen würde. Besser glückte der zweite Versuch. Er schilderte genau, wie die Tat geplant worden war, und analysierte auf seine Weise meinen Seelenzustand: ein groteskes Gemisch von Kopflosigkeit, Schurkerei und Gemeinheit. Welch ein Glück, daß dadurch die Entdeckung so leicht gemacht war! Ein dem Herrn Staatsanwalt besonders wohlwollender Gott hatte den an sich gar nicht so dummen Verbrecher mit Blindheit geschlagen. Daß dieser Verbrecher von Haus aus kein Esel war, davon hätten ja die Geschworenen Gelegenheit gehabt, sich zu überzeugen. Welch ein raffiniertes Verteidigungssystem! Wie schwer war es gewesen, der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen. Nur durch einen ungeheuren Aufwand an Klugheit und Besonnenheit hatte man die Finten dieses heimtückischen Fechters pariert. Jetzt kam es nur darauf an, daß die Geschworenen sich keinen Sand in die Augen streuen ließen. Aber er hatte das Vertrauen zu diesen biederen und mit gesundem Menschenverstand begabten Männern aus dem Volke, daß sie mit dem amerikanischen Humbug schon fertig würden. Sie würden verstehn, daß es eine Ehrensache für die deutsche Rechtspflege sei, das gefährliche Raubwild zur Strecke zu bringen. „Meine Herren Geschworenen, ich bin sicher, daß Sie den Angeklagten des Mordes schuldig erkennen werden.“

Sprach's mit beschwörender Gebärde und ließ sich zufriedenen Blicks auf seinen kurulischen Sessel nieder. Größere Genugtuung kann Cicero nicht empfunden haben nach einer seiner Reden gegen den bösen Katilina.

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/134&oldid=- (Version vom 31.7.2018)