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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

wirken. Die Welt, die in diesen Büchern geschildert wird, ist so verschieden von der unsrigen. Man empfindet beim Lesen eine wehmütige Sehnsucht nach dem Frieden jener Tage.“

Anfang Januar wurde, nachdem die Papiere aus Deutschland eingetroffen waren, durch Sir Albert meine Auslieferung verfügt. Das von dem Untersuchungsrichter zusammengebrachte Beweismaterial war schon damals vollzählig, es ist nachher nichts Wesentliches hinzugekommen. Auch ein Motiv war schon gefunden. Da ich in den türkischen Geschäften den größten Teil der Mitgift meiner Frau investiert hatte, ohne daß dieselben bis jetzt zu einem Erfolg gediehen waren, so nahm die Staatsanwaltschaft an, daß ich meine Schwiegermutter ermordet habe, um das meiner Frau zufallende Erbteil an mich zu bringen. Also eine ganz besonders gemeine Art von Raubmord.

Als ich nach der Gerichtssitzung, die sehr kurz war und ohne jeden Zwischenfall verlief, in dem Bureau des Kerkermeisters auf den Wagen wartete, der mich nach Brixton zurückbringen sollte – ich brauchte jetzt die schwarze Marie nicht mehr zu benutzen –, ließ mir Sir Albert sagen, er wünsche mich noch einmal zu sprechen. Verwundert über diesen ungewöhnlichen Schritt, folgte ich dem Sekretär und gelangte in ein großes, altertümlich ausgestattetes Gemach, in dem der Richter hinter einem mit Akten bedeckten Schreibtisch saß. Er forderte mich auf, Platz zu nehmen, und sagte dann etwa folgendes: Mein Fall habe ihn von Anfang an sehr interessiert, während seiner dreißigjährigen Tätigkeit in Bowstreet sei ihm noch niemals ein Fall vorgekommen, wo ein so lückenloser Indizienbeweis dennoch so wenig Überzeugung der Schuld bewirke; er sehe mit Spannung dem weiteren Verlauf des Prozesses entgegen; er für seine Person habe ja nur zu prüfen gehabt, ob die Beweismittel hinreichten, einen Verdacht zu begründen; daß sie dazu wirklich hinreichten, sei außer Frage; aber ob sie auch zu einer Verurteilung hinreichten, das stehe auf einem anderen Blatt. Ich hatte darauf nichts zu erwidern und wußte nicht recht, was

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/39&oldid=- (Version vom 31.7.2018)