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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

auf seinen ausdrücklichen Wunsch und sehr zum Mißvergnügen meiner Mutter, die sich erst zufriedengab, als er versprach, im Herbst auf der Rückreise nach Washington einige Wochen bei ihr zu Gast zu sein. Es schien alles in bester Ordnung. Die Zeit bis Mitte Oktober verbrachte ich wieder bei Mutter und Schwester. In dem täglichen intimen Verkehr mit Olga bemerkte ich wohl allerlei, was mir zu denken gab, und ich schrieb das auch meinem Mann nach Konstantinopel …“

„Jawohl,“ bemerkte Dr. Dietz, „die Briefe sind beschlagnahmt worden und befinden sich bei den Akten. Ich wundere mich jetzt, daß mir bei der Lektüre nicht eine Ahnung gekommen ist von diesen Dingen, denn ich entsinne mich deutlich, Anspielungen darauf gelesen zu haben.“

„Im Oktober kam mein Mann und blieb vierzehn Tage bei uns. Es waren stille, friedliche Herbsttage. Er und Olga verkehrten jetzt ganz freundschaftlich miteinander, sie las ihm sogar, als wir eines Abends sehr spät von Karlsruhe zurückkamen, während ich schon zu Bett gegangen war, im Nebenzimmer ihre Gedichte vor. Das machte mich ein wenig argwöhnisch, denn ich wußte, unter diesen Gedichten befanden sich einige von stark erotischer Färbung, und ich fragte mich, ob ich klug gehandelt hatte, als ich meine Schwester einlud, mit uns nach Paris zu fahren und sich dort einige Tage zu amüsieren. Je näher der Tag der Abreise heranrückte, desto aufgeregter wurde Olgas Wesen. Ich konnte sehen, daß sie viel weinte. Einmal schloß sie sich in ihr Zimmer ein und erklärte, nicht mit nach Paris gehen zu wollen, aber schließlich ging sie dann doch mit. Unterwegs im Zuge glaubte ich etwas zu sehen, was mich in meinem Argwohn bestärkte: ich hatte das Abteil für ein paar Minuten verlassen, und als ich wieder eintrat, entnahm ich aus den Blicken und dem Benehmen der beiden, daß irgend etwas vorgefallen war. Von da ab war es mit der Harmlosigkeit unseres Verkehrs aus. Meine Eifersucht wuchs von Tag zu Tag. Es kam mir so vor, als ob die beiden sich immer weniger Mühe gaben, ihre Gefühle zu verbergen. Am schlimmsten war das an dem

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/92&oldid=- (Version vom 31.7.2018)