Seite:De Deutsche Hausmärchen 158.jpg

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rief eine Frau: „Kommt herein in mein Haus, hier werden alle armen Reisenden und Pilger gepflegt.“ Er streckte seine Hand aus und ließ sich in das Haus führen, wo er ein gutes Essen und ein prächtiges Bett bekam. Ehe er schlafen ging, kam die Frau, setzte sich zu ihm und sprach: „Erzählt mir jetzt eure Geschichte, das ist meine Bezahlung.“ „Die möchte ich lieber verschweigen,“ antwortete der Prinz, „denn sie ist sehr traurig, aber wenn ihr sie hören wollt, so erzähle ich sie.“ Und nun fing er an und legte ihr Alles auseinander, wie es ihm ergangen war. Die Wirthin wurde immer aufmerksamer, als er aber daran kam, wie er die schöne Jungfrau aus dem Loche erlöst und sich mit ihr verlobt hatte, da schloß sie ihn in ihre Arme und rief unter blutigen Thränen: „O mein lieber Bräutigam, ach daß ich dich also wiederfinden muß!“ Wie war das eine so große Freude und dabei eine so tiefe Betrübnis, als er ihr erzählte, wie seine Mutter und der falsche Greis an ihm gehandelt hatten. Die schöne Jungfrau konnte ihrer Thränen nicht Herr werden, wenn sie ihn ansah und die eingesunkenen leeren Augenhöhlen erblickte. Als er seine Erzählung zu Ende hatte, ließ sie ihn schön kleiden, führte ihn zu ihrem Vater und sprach: „Lieber Vater, heut ist mein schönster Lebenstag, denn der liebe Gott hat mir meinen rechten Erlöser und einzigen Bräutigam wiedergegeben;“ und sie ließ ihn dem Könige die ganze Geschichte erzählen. Der König glaubte ihm zwar, doch da die erste Freude des Wiedersehens seiner Tochter vorüber war, so ärgerte er sich, daß sie einen blinden Prinzen heirathen wollte. Jedenfalls war ihm der Jüngling als Prinz

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_158.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)