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sie ihn in Stücke und tanzten darauf im Zimmer herum, bis es Eins schlug. Da verstoben sie wie ein Rauch. Zugleich öffnete sich aber die Thür und herein kam – nicht die Schlange, sondern die allerschönste Königstochter. Die ging im Zimmer umher, las die Stücke zusammen und fügte sie aneinander. Als das letzte Stückchen dabei war, da sprang der Prinz auf und war so frisch und gesund wie vorher und schaute die Königstochter mit erstaunten Augen an. Da sprach sie: „Ferdinand, mein Erlöser, jetzt hast du dein Werk vollbracht und ich bin dein auf ewig; wir bleiben nun beisammen und du hast Alles, was dein Herz begehrt.“ Da umarmte sie der Prinz und küßte sie und Beide waren froh und glückseelig. Sie führte ihn in dem ganzen Schloß umher und da wimmelte es von Bedienten und Hofherren, überall war ein neues Leben eingekehrt. Nachdem sie ihm das Schloß gezeigt hatte, führte sie ihn auch in den wunderherrlichen Garten, wo jetzt Alles noch viel schöner als vorher stand; nur an einem kleinen Gartenhäuschen ging sie vorüber und schloß es nicht auf. Da frug der Prinz, was in dem Häuschen sei, aber sie sprach: „Da frage nicht und schließe es auch nie auf, wenn du mich lieb hast, denn wenn du dies thust, ist es dein Unglück.“ Da drang er nicht weiter in sie und versprach ihr, er wolle nie hinein schauen.

Eine Zeitlang lebte der Prinz mit der schönen Königstochter in Glück und Freude; nach und nach aber mußte er stets, wenn er in dem Garten war, auf das Gartenhäuschen schauen und er wurde mit jedem Tage neugieriger zu wissen, was wohl darin sein möge.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_210.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)