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hatte, aber weil sein Sinn durch den Kuß verdeckt war, verstand er sie nicht und sprach: „Schenkt mir für heute das Leben. Ich habe so fest geschlafen, daß es kein natürlicher Schlaf gewesen sein kann. Morgen will ich aber wachen und das Mädchen selber sehen und hören.“ Die Schildwachen erkannten nun auch, daß sich Alles so verhalten müsse und sprachen: „Dann esset aber morgen Abend nichts und trinket nichts, was euch eure Braut reicht, denn diese muß dabei im Spiele sein.“

Die Jungfrau war aber in heller Verzweiflung, als sie nun ihre dritte und letzte Nuß öffnete und klagte dem Wald und den Felsen und den stummen Thieren ihr Leid, daß es zum Erbarmen war. In der Nuß steckte aber das allerschönste der drei Kleider, das war aus lauter Diamanten gemacht. Sie zog es an und ging damit vor dem Schlosse auf und ab. Die Braut des Prinzen sah sie nicht sobald, als sie ihre Dienerinnen zu ihr sandte und ihr sagen ließ, ob sie für das Kleid eine Nacht in der Kammer des Prinzen schlafen wolle? „Das will ich,“ sprach die Jungfrau und konnte ihre Thränen kaum zurückhalten, als sie sah, wie die Braut hohnlachend am Fenster stand. Abends als die Braut dem Prinzen den Schlaftrunk reichte, ließ er ihn am Kinn herunterlaufen und nahm nicht einen Tropfen davon, das Essen rührte er nicht an und ging früh in seine Kammer, sprach, er sei krank. Als die Jungfrau in das Zimmer geführt wurde, lag er in seinem Bette und that als schliefe er. Da begann sie zu jammern und zu klagen: „Hast du denn ganz vergessen, wie ich dich aus dem Eiskeller erlöst habe?“ Er wandte sich um und sah sie erstaunt an doch er

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_298.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)