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und drinnen in dem düsterschönen Winkel des Gebirges glänzt der blaue Alpsee. Weiter oben im Hochwald fällt die Pöllat von rothem Felsenkamme in ihre Zauberschale, und nahe dabei ragen die Ruinen vom alten Schwangau aus dem Fichtendunkel, weithin sehend über die Ebene und auf ferne längst gebrochene Burgen. Jetzt ist aber hier nicht unsers Bleibens, und so ziehen wir nach Füßen, dem schmucken Städtchen, das mit Mauern und Thürmen eingefangen am Lechstrom liegt, eigentlich noch im Flachlande – aber gleich dahinter erheben sich in ansehnlicher Mächtigkeit die rhätischen Alpen.

Im Gastzimmer des Posthauses ist im Jahre 1745 zwischen der Königin von Ungarn und Böhmen Maria Theresia und dem Kurfürsten von Bayern der Füßner Friede abgeschlossen worden, der den österreichischen Erbfolgekrieg zu Ende brachte. Mehr als diese diplomatische Erinnerung wird den Freund der Vorzeit eine unterirdische Krypte beschäftigen, die unter dem Pflaster der Kirche von St. Mang liegt und aus den Zeiten stammt, wo dieser Glaubensbote zu Füßen wirksam war, also aus dem achten Jahrhundert. Erst vor etlichen Jahren hat Herr Hofrath Thiersch den Zugang zu diesem eigenthümlichen Bauwerke wieder entdeckt. Er war durch einen Bretterverschlag seit lange her unsichtbar gewesen, und es hatte sich alle Erinnerung verloren, daß hinter der Wand St. Magni Grabcapelle zu finden sey.

Wenige hundert Schritte oberhalb Füßen führt die Straße am Lechfall vorbei. Der junge Strom aus Tirol kommt voller Eile ganz blau daher und stürzt sich lilienweiß in den tiefen Kessel. Drunten treibt er sich hellgrün herum, und fluthet in langsamen Wirbeln wieder fort. Die Einfassung bilden zu beiden Seiten steile Felsenschöpfe. Auf dem diesseitigen steht ein eisernes Kreuz zur Erinnerung, daß hier einst St. Magnus über den tosenden Sturz gesetzt, um sich vor heidnischen Verfolgern zu retten. Denselben Sprung soll etliche Jahrhunderte früher Julius Cäsar zu Pferde gewagt haben.

Bald darauf steht man an der Gränze von Bayern und Tirol, beim weißen Haus, oder der österreichischen Zollstätte. Eine Palisadenwehr zieht von der nahen Bergwand quer herunter zum Lech und schließt das Thal ab.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_018.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)