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erklärt und in ordentliche Satzung übersetzt worden ist." Diese Urkunde soll noch nicht gedruckt seyn, aber einzelne Handschriften, die sich noch hie und da in den Familien finden, werden als Andenken an die gute alte Zeit hoch in Ehren gehalten. Aus diesen geht unter andern hervor daß sich im Bregenzerwald das alte deutsche Gerichtsverfahren im Wesen und in der Form, in all seiner innern Gedrungenheit und äußern Zierlichkeit bis zum Schluß des vorigen Jahrhunderts in blühendem Leben erhalten hat, und wenn die Freunde desselben – und wer gehört jetzt nicht darunter? – mit großem Fleiß den Spuren nachgehen die davon noch nach dem dreißigjährigen Krieg in Deutschland vorkommen, wie muß es sie vergnügen, wenn sie dasselbe im Wald fast bis in unsere Zeit hereinragend finden! Es wurden alljährlich in den Hauptorten der Landesviertel, nämlich auf der Egg, zu Andelsbuch, in der Bizau und am Schwarzenberge, drei ehehafte Gerichte gehalten, als im Mai, im Herbst und zu Fastnachten. Das Gericht hatte der Pfarrer des Ortes mit zwei Mahlzeiten zu verpflegen und dem „regierenden" Landammann und dem Landschreiber die Pferde mit Heu und Haber zu füttern. Das Gericht fand im Tanzhause statt, und der Landammann als vorsitzender Richter eröffnete es, indem er den ersten Rath des Viertels anredete: „Ich frage Euch, N. N., ob Ihr gehört habt das ehehafte Gericht anschlagen, rufen und bieten, ob es auch an der Zeit, am Jahr und am Tag, daß ich wohl möge niedersitzen mit sammt einem ehrsamen Gericht und denen Leuten zu Recht helfen und richten über Liegendes und Fahrendes, über Lehen und Erbe, über Eigen und Alles, was der Reiche und der Arme, der Fremde und der Einheimische für mich und ein ehrsames Gericht zu bringen, zu berichten und zu beurtheilen hat, und dasselbige Kraft und Macht haben, wie auch ein ehehaftes, gesetztes und gebotenes Gericht es haben solle? Da frage ich des Rechten darum." Auf diese Frage gibt der angeredete Rath, die Formel widerholend, eine bejahende Antwort, worauf dann der Landammann auch die anderen Räthe, deren Zahl übrigens nach den verschiedenen Arten des Gerichts verschieden war, der Reihe nach fragt und gleiche Erwiederung erhält. Sodann fragt der

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_063.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)