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braun mit gemalten Fensterläden, mit gastlichen Schopfen, unter denen zwei oder drei Falltische zum Abendtrunk, und mit Galerien oder deutsch zu sprechen Lauben um den obern Stock, auf denen die Walser allerlei rare Blumenstöcke ausstellen. Verschiedenes Feldgeräthe, Sensen, Rechen, Sicheln, hängt unbesorgt und gleichsam als Zierrath um die Hütten her, vor denen auch je zuweilen ein kleiner umzäunter Garten blüht. Ackerbau ist nicht zu gewahren – alles Wiesen, wie im Walde. Die drei Hauptkirchen des Thales, Riezlern, Hirscheck und Mittelberg mit ihren spitzen Thürmen stehen in perspectivischer Reihe hintereinander und um das ganze Gelände her zieht sich ein zackiger Reif von hohen Jöchern.

In Riezlern trafen wir die Gemeinde eben auf dem „Umgange." Die Kirche war leer, aber draußen wallte der Zug mit Standarten, Fahnen und Heiligenbildern langsam durch die thauigen Wiesen. Die Mädchen sangen dazu ein altes, schönes Kirchenlied, was feiertäglich über die stillen Auen hinhallte und die Schäpelen, die funkelnden Jungfernkränzchen glitzerten in der Morgensonne mit den Thautropfen in die Wette. Die Männer beteten tiefstimmig ihren Rosenkranz. Als der Umgang sich allmählig nahte, stellten wir uns an die Friedhofmauer, wo er vorbeikommen mußte und betrachteten dann mit Aufmerksamkeit die Beter von Riezlern. Die Männer grüßten theilweise sehr freundlich aus dem Zuge heraus, die Mädchen fielen aus der Andacht und kicherten uns an, wie nicht anders zu erwarten. Es zeigte sich da übrigens in den Gewändern der Leute viele Wohlhabenheit, denn die Stoffe waren meistentheils gut und fein. Die männlichen Walser haben in dieser Gegend heutzutage keine eigentliche Thaltracht mehr, das andere Geschlecht aber bringt bei aller Verfeinerung in seinen Kleidern die alte Verwandtschaft mit den Walserinnen vom Sonnentag und von Ragall noch ziemlich deutlich zur Schau. Der Schnitt ist nämlich hier und dort derselbe, nur daß der Busen etwas rücksichtsvoller behandelt wird und daß die Frauen vom Mittelberg, wahrscheinlich ihren lebhaftern Berührungen mit dem Flachland zuliebe, die rothe Leibfarbe ihrer Basen jenseits der Berge aufgegeben haben und jetzt dunkle Zeuge,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_076.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)