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ins Thal hinab zu sehen, wo die Lichter blitzten und einige weiße Häuser flimmerten, aber noch so tief unten, als hätte ich noch gar nichts gethan und gelitten. Um diese Weile war’s auch gänzliche Nacht geworden und der Pfad kaum mehr zu sehen – und nicht allein daß schier alles Licht vergangen, sondern nun zeigten sich auch Stellen, wo die Wege wirr durcheinander liefen und zusammenkamen und sich zerstreuten, so daß ich auch ein paarmal die Fährte verlor, und es erst gewahrte, als ich an schroffen Klippen stand, wo alle Spur verschwand. Dann galt es den Weg wieder mühsam zurück zu suchen und wieder einen andern zu finden, wobei ich zu wiederholtenmalen an die Montavonerin dachte und zwar immer boshafter. Nun war’s aber bald gewonnen; ich kam aus dem Wald ins enge Thal und hörte wieder Hundebellen und sah nicht mehr ferne erleuchtete Fenster. Der Weg, noch immer steil abwärts führend, wurde etwas leidlicher; aus dem Dunkel stieg ein Bauernhaus, vor dem die Mädchen singend auf der Sommerbank saßen, dann noch ein paar Häuser, und endlich trat ich ganz durchschüttert, mit gebrochenen Knieen, schweißtriefend auf die Landstraße. Das war in der That eine Behaglichkeit des angenehmsten Eindruckes, diese halbe Viertelstunde noch auf ebenem Boden zu gehen, der mir jetzt weicher und bequemer vorkam als indische Teppiche.

In Talaas ist ein Posthaus, das dem wandernden Dulder leckere Forellen und trefflichen Wein bot. Dem Postmeister erzählte ich meine Fahrt vom Christberge herunter, lebhaft wie sie mir noch in allen Gliedern lag, und meinem guten Glauben an die Waglichkeit derselben that es keinen Eintrag, als er mir entgegenhielt, daß der Steig so ärgerlich nicht sey, sintemalen auf demselben auch Vieh getrieben werde, denn ein eingebornes Rindchen kann da am hellen Tage leicht seinen Weg finden, wo ein fremder Mensch in finsterer Nacht den Hals bricht. Doch war er so gefällig zu gestehen, er sey auf diesem Gange bei Nachtzeit auch schon ein paarmal in den Tobel gerathen und nur mit Angst und Noth wieder herausgekommen. Dabei verbot er mir übrigens von dem Priesterhause im innern Berge übel zu denken. Der Curat sey ein besonders lieber Herr,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_121.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)