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Bauern daher und betrachteten sich den Markt. Hatte einer der Landwirthe einen der Alpenjungen ins Auge gefaßt, so musterte er ihn von Kopf zu Füßen und that etliche Fragen an ihn, um seinen Verstand und seinen Humor zu prüfen. Konnte sich der Knabe durch seine Antworten über beides genügend ausweisen, so fragte der Bauer: was kostet der Bue? Wurde man Handels eins, so ging man nach unverbrüchlichem Herkommen in eines der genannten Wirthshäuser, wo der jetzige Dienstherr den neuen Knecht mit Stockfisch und Sauerkraut tractiren mußte. Es soll überraschend gewesen seyn, wie das Oberland dazumal im Unterland Bescheid wußte. Die Knaben waren alle schon vorher genau unterrichtet, welches ein guter Hof und welches ein schlechter Dienst sey, und einem quälerischen Bauern, der einmal im Oberlande verschrieen war, soll es oft trotz aller Mühe nicht geglückt seyn, sich einen Jungen einzustellen. Auch die Mädchen haben sich für ihre zarten Hände einen geeigneten Erwerb ausersehen, nämlich das Aehrenlesen. Da gehen sie zur Zeit der Ernte nach Schwaben hinaus, bringen den Tag auf den Feldern, die Nacht in den Heustädeln zu, lassen die gesammelten Aehren bei den Müllern mahlen und füllen das Mehl in Säcke, die sie zu diesem Zwecke mit sich bringen. Ist die Erntezeit vorüber, so sammeln sich die Jungfrauen wieder alle zu Leutkirch, miethen mehrere große Leiterwagen und fahren singend zurück ins Montavon, welches daher zu dieser Zeit um manchen Sack weißen Mehls sich reicher befindet, vielleicht aber auch um manche Jungfräulichkeit die dafür draußen geblieben, ärmer.

Etwas mühseliger macht sich den Verdienst eine andere Mädchenschaar, die zum Kornschneiden ausgeht. Auch diese nehmen ihren Lohn in Korn und fahren dann mit den Aehrenleserinnen heim. Eine gute Anzahl bleibt indeß den Winter über weg und sitzt in den stillen Bauernhöfen des Allgaus am Spinnrad. Dieses nehmen sie ebenfalls schon aus dem Montavon mit sich, um gleich überall mit vollem Werkzeug einstehen zu können. So ist denn der Montavoner unter den wanderlustigen Vorarlbergern der wanderlustigste, und von

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_127.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)