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Nach diesem bauten die Römer ihre Straßen durch das Land, schlugen Brücken über die Ströme und besetzten die rhätischen Castelle mit ihren Kriegern. Tridentum und Veldidena, letzteres wo jetzt Kloster Wilten bei Innsbruck liegt, waren die bedeutendsten Städte. Auf dem Schlosse zu Terioli saß wenigstens unter den spätern Kaisern ein römischer Befehlshaber. Die rhätische Jugend kämpfte in den römischen Kriegen und zeigte gegen die Barbaren dieselbe Mannheit, die sie ehemals gegen August’s Stiefsöhne bewiesen. Mittlerweile lernten auch alle die Völkerschaften im Gebirge lateinisch.

Als diese Zeit zu Ende war, beherrschten nach manchem andern germanischen Einfall die Ostgothen das Land im Gebirge und Theodorich setzte an die rhätische Mark einen Herzog. Auch einer gothischen Niederlassung wird erwähnt, die er unter die Breunen sandte. Der Name Dietrichs von Bern war in tirolischen Liedern und Sagen noch ein Jahrtausend später nicht verschollen.

Nach seinem Tode ging Rhätien den Gothen verloren. Im Innthal, im Pusterthal und am Eisack geboten die bojoarischen Herzoge, an der untern Etsch die Könige der Longobarden. An der Drau hatten die erstern blutige Schlachten zu schlagen mit den kärnthnischen Slaven. Diese wurden unterjocht, aber ihre Sprache und Sitte mag sich noch lange erhalten haben.

So ging auch wohl die römische Sprache in Tirol ebenso allmählich unter, wie vor dem Arlberge. Es gibt aber hier keine dem Capitulum Drusianum ähnliche Abtheilung, die mit sicherm Striche die Gränzen bezeichnen ließe, innerhalb welcher sich das Romanenthum noch bis in dieses oder jenes Jahrhundert herein gefristet hat. Die ersten deutschen Sprachgebiete jenseits des Brenners mögen das untere Pusterthal und Passeyer mit der Gegend von Meran gewesen seyn, und durch letztere ging, wie es scheint, der deutsche bojoarische Einschuß, der sich in vielfältigen Niederlassungen bis nach Verona hinab erstreckte und noch zur Zeit in den sieben und dreizehn Gemeinden der Vicentiner und Veroneser Berge zu erkennen ist. Die Glieder dieser Kette verschwinden mehr und mehr unter dem übermächtigen

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_200.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)