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See im Patznaun in ihren Sprengel. Es fehlt auch nicht an Alterthümern, und der freundliche Pfarrherr wies mir Alles und Jedes, was zu sehen ist. Am Rande des Kirchhofes liegt einmal die alte Kirche, jetzt durch Aufwachsen der Leichenhügel tief im Boden stehend. Auf dem runden Chorbogen war früher eine uralte Jahreszahl zu gewahren, die man auf 804 deutete; die Serfauser haben sie aber zur Hebung aller Zweifel übertüncht und ein sehr sichtbares und keiner Mißdeutung fähiges 804 darauf gemalt. Auf einer Tafel oberhalb der Kirchthüre, welche die Auffindung eines Gnadenbildes vorstellt, ist indessen sogar die Jahreszahl 422 zu lesen, die begreiflicherweise noch mehrerer Bedenklichkeit unterliegt. Auf dem Hochaltar ist ein altes Marienbild, zu dem vor Zeiten gewallfahrtet wurde. Auch der Taufstein ist nicht zu übersehen; er führt die Umschrift: Hans in Walt anno Domini 1404. Die andere, neuere Kirche ist 1516 erbaut worden. Ein schöner gothischer Glockenthurm aus älterer Zeit steht frei dabei. Im Erdgeschosse des Pfarrhauses selbst ist ein kellerartiger Raum, der im grauen Alterthum auch eine Kirche gewesen seyn soll, lange vor den beiden die im Friedhofe stehen. Der Herr Pfarrer führte mich auch dahinein. Das Gewölbe ist finster und man hat Noth die Malereien wahrzunehmen, welche an einer der Wände noch sich erhalten haben und für uralt erachtet werden. Es wurde ein Licht gebracht und nun traten sie besser hervor, zwei oder drei halb verblichene Häupter und ober denselben etwas deutlicher eine Verzierung von Fruchtschnüren und Engelsköpfen, die aber gewiß nicht im grauen Alterthum, sondern in der Zeit der Renaissance gemalt worden sind.

Bei Serfaus geht die schöne Hochebene, welche die drei genannten Dörfer beleben, wieder zu Ende, und es ist an der Zeit sich dem Thale zuzuwenden. Der Fußweg führt zuerst an einer rothen lockern Sandwand hin und ist etwas bedenklich, wird aber weiter unten bequem und gefahrlos. Da steht auch das Kirchlein St. Georgen an dem Steig, ein alterthümliches Gotteshaus, in dessen Inneres aber, da die Thüre verschlossen war, nur durch ein vergilbtes Fenster geschaut werden konnte. Es kam mir vor als sey viel altes gothisches Schnitzwerk

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_271.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)