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mit Gattin, zwei Pilgrime, die sich durch wunderbare Sparsamkeit auszeichneten. Sie wollten in den Wirthshäusern nie etwas nehmen was sie nicht angeschafft, und wenn die wohlmeinende Kellnerin nach dem Mahle noch Kirschkuchen, Schweizerkäse oder andern Nachtisch brachte, so pflegten sie vom Stuhle aufzufahren, beide Hände abwehrend vorzustrecken und mit durchdringender Stimme No! zu rufen. Wenn der Gatte Kaffee trank, so sammelte die Gattin die übergebliebenen Zuckerstückchen, und bei der zweiten oder dritten Einkehr, wenn die Spardüte wieder voll war, ließen sie zum Kaffee sich keinen Zucker mehr geben, sondern zogen ihren eigenen Vorrath heraus, um ihn weise zu benützen. Derlei Listen waren den Wirthsleuten noch nie vorgekommen, und es gab manches ärgerliche Kopfschütteln.

Nun fuhren wir also in einer engen Schlucht aufwärts nach Pfunds, einem Dorfe, welches gegen vierzehnhundert Menschen zählt, die ehemals sehr schöne Privilegien genossen zum Lohne für bewiesene Treue, auch wohl zur Aufmunterung an solcher festzuhalten, woran bei der Nähe des lange Zeit feindlichen Engadeins den Landesfürsten früher viel gelegen seyn mußte. Erzherzog Sigmund überließ ihnen was sie an Weggeld einhoben, Kaiser Leopold befreite sie 1705 von aller Zollabgabe, die sie ehedem für ihr Vieh an die benachbarten Zollstätten zu entrichten hatten, dieweil sie „bei jüngst vorgewester Churbayerisch-französischer Invasion Ihre allerunterthänigste Devotion mit Hindansetzung aller Leib- und Lebensgefahr sonderbahr erwiesen.“ Der Theil des Dorfes, welcher an der Straße liegt, heißt Stuben, und darin findet sich eine alte Nebenkirche, Unsrer Lieben Frauen geweiht, mit einem sehr schönen gothischen Altar, den der kunstliebende Wanderer mit Freuden betrachten wird.

Hinter Pfunds, wo die Gegend offen und fruchtbar ist, ziehen sich die Bergwände wieder aneinander und das Thal wird abermals zur engen Schlucht. Nicht weit vom Passe Finstermünz bricht rechter Hand der Schalklbach aus ungethümer Felsenklause, hier deßwegen zu erwähnen, weil man seinem Brausen nachgehend in zwei Stunden ein abgelegenes

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_273.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)