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Unten ist eine große schmucklose Halle und eine Capelle daran. Diese enthält zwar in ihrem Innern nicht viel mehr als etliche plumpe Gestalten alter Schnitzerei, aber ihre Pforte ist ein Kleinod. Sie ist mit einer steinernen Einfassung bekleidet, auf welcher ein Steinmetz der Vorzeit, etwa einer aus dem elften Jahrhundert, höchst ungeschlachte und wunderliche Basreliefs eingehauen, deren Sinn und Deutung bisher von den scharfsinnigsten Köpfen verschiedentlich beleuchtet worden. Der blöde Laye erkennt weiter nichts als oben im Halbrund der Thüre einen Christus am Kreuze und an der Seite eine Darstellung von Adam und Eva im Paradiese, voll wundersamer Affenähnlichkeit. Auch ein Centaure unter dieser Paradiesesscene scheint außer Zweifel. Mitten in der hölzernen Thüre ist ein Hufeisen aufgenagelt; es soll einst einem Schimmel der Margaretha Maultasch gehört haben.

Die Aussicht aus den Fenstern der Burg ist bezaubernd. Besonders schön gestaltet sich die perspectivische Verjüngung des Etschlandes gegen Bozen hin. Der Strom zieht in breiten Windungen durch das burgenvolle Thal. Weit unten am Schlusse stehen auf einem steilen Felsen die Thürme von Eppan, von der einst so feindlichen Veste, die aber seit Jahrhunderten den Frieden nicht mehr gestört hat.

Auf der Höhe von St. Peter sieht man gerade hinunter in den Weingärten des Thales viele zerstreute Häuser und zwei Kirchen, welche den Dörfern Gratsch und Algund angehören. Letzteres hat einen großen Umfang und zählt siebenzehnhundert Seelen. Die Algunder sind wohlhabend und zeichnen sich, wie behauptet wird, vor allen übrigen Bauersleuten der Gegend durch stolzes, selbstbewußtes Benehmen aus. Man rühmt ihnen nach, daß sie in Kriegszeiten bereitwillig zum Auszug und muthig im Gefechte seyen. Was sie in den ewigen Fehden des Mittelalters für ihre Herren gethan, ist zwar nicht besonders aufgezeichnet worden, aber in neuerer Zeit werden sie öfter genannt. Im Jahre 1703 standen sie schnell zur Landwehr auf, waren jedoch sehr betheiligt an der Meuterei, die zu Meran unter dem zugfertigen Aufgebot entstand. Sie wollten vor allem wissen, wie während des Auszugs Weiber

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_319.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)