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der Sarentheiner und Johannes von Nordheim, Erzherzog Sigemunds gehaimber Secretarj und sein Wortführer auf dem Landtage von 1474 zu Bozen, der, wie ein schöner Grabstein an der Kirche zu Sarnthein besagt, 1475 gestorben und dort begraben ist. In den Fenstern des gothischen Kirchleins zu Nordheim sind etliche verblichene Glasgemälde. Ueber der Kirchenpforte zur rechten Hand hängt – in allem Ernste – ein geistliches Kartenspiel. Es sind nämlich in einem unscheinbaren Säckchen alle sechsunddreißig deutsche Karten beisammen, Schell-Aß, Herz-Aß, Eichel-Aß, Gras-Aß u. s. w. Eine jede enthält außer der Figur auch noch einen frommen Spruch, z. B. Gedenk, o Mensch, an die letzten vier Dinge und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen – und unten die Pön: z. B. Bet’ drei Vater Unser und drei Ave Maria, jedoch wechselnd, so daß etliche ganze Rosenkränze von Vater Unsern verhängen. Aus diesem Säckchen ziehen nun die Landleute, wenn sie eines Tages nicht mit sich einig sind, wie viel sie beten sollen eine Karte, und verrichten dann die Aufgabe. Wer da, um mit den Studenten zu reden, Pech hat, der kann sich arg hineinsetzen, ein glücklicher Spieler kommt aber auch hier leicht weg, wie in jedem Hazardspiel. In etlichen Kirchen zu Bozen sollen auch noch solche Spiele zur Hand seyn – die Leute fangen aber allmählich an, sich dieser Recreation zu schämen.

Der Weg von Sarnthein nach Meran führt über das Kreuzjoch in fünf bis sieben Stunden, also ungefähr in derselben Zeit als man aufwendet, um von Sarnthein nach Bozen zu kommen. Ich verließ um vier Uhr Früh den Schweizer, um mit einem der Sarntheiner Herren, der sich zuvorkommend als Führer angeboten, aufwärts zu steigen. Die Witterung schien günstig, doch lag eine dichte Wolkenschichte auf der Sarnerscharte. Wir wanderten ziemlich steil in die Höhe durch Wiesen und Felder, getröstet durch den Rückblick ins milde Thal und kamen dabei auch in Ansicht eines im Winter abgebrannten Hofes, den die Sarnthaler dem Besitzer durch unentgeltliche Lieferung des Bauholzes, des Weines für die Arbeiter u. dgl. in gutchristlicher Weise wieder haben

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_410.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)