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haben oben erzählt, daß der Zug der Grödner, als sie zu wandern begannen, anfangs in romanische Länder ging, nach Italien und Spanien. In diesen Ländern war es, wo den rührigen Aelplern zuerst die Anschauung wurde, welch vorzügliches Idiom ihnen das Heimathsthal mit auf die Reise gegeben. In wenigen Wochen waren sie im Stande zu Neapel und zu Cadix sich verständlich zu machen und andre zu verstehen, und daher wurzelte denn auch die hohe Meinung von der Verwendbarkeit ihres seltsamen Jargons für den Handel. Außerdem lag in ihm noch die Möglichkeit, sich in fremden Ländern am offenen Zechtische Dinge mitzutheilen, die sonst Niemand verstehen sollte. Deßwegen haben sie auch fast etwas Stolz auf ihr „Krautwälsch" und wollen überhaupt zu Hause kaum eine andre Sprache aufkommen lassen; so daß deutschen


  Es ist auch nicht unversucht geblieben, in der Sprache von Gröden Gedrucktes ans Licht zu fördern. Derselbe freundliche Schulmeister hat mir ein winziges Heftchen verehrt, welches den Titel führt: La Stazions o la via della S. Crousch’che cunteng de bella cunschiderazions i urazions. Metudes dal Taliau tel Parlè de Gördeina. Bulsan stamp[à] ura Carl Giusep W – (der Name ist weggerissen); zu deutsch: die Stationen oder der Weg des heiligen Kreuzes, welcher enthält schöne Betrachtungen und Gebete. Uebersetzt aus dem Italienischen in die Sprache von Gröden. Bozen, gedruckt bei Karl Joseph W.

Es sind dieß kurze Gebete, wie sie bei Begehung der vierzehn Stationen üblich sind. Das Gebet für die fünfte Station, in welcher Simon von Cyrene dem Erlöser das Kreuz tragen hilft, theilen wir hier als Schluß dieser Sprachproben mit, wollen aber den geneigten Leser sich selbst darin zurecht finden lassen. Es lautet:

V’ adore pra chesta quinta Stazion, salvator amabl, schudà (ajutato) dal Zirene a portè la crousch; je ve preje cun fidanza d’ armè mi euer deibl c’una gran pazienza a supertè i travajes de chesta vita, per sodisfazion de mi pichiei (peccati). Amen. Wegen der Sprachproben des Ennebergischen wollen wir lieber auf den Aufsatz des Landrichters Haller verweisen, nicht nur das Vater Unser und zwei Capitel aus dem neuen Testamente in der Sprache von Enneberg, sondern auch in jenen von Buchenstein, Fassa und Ampezzo zur anziehenden Vergleichung sich gegenübergestellt sind.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_449.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2020)