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Treppe zugänglich war. Hier in dem wilden verlornen Winkel des grausigen Gebirges, in dem unzugänglichen Horst steht die Burg, deren Namen so viele gefeierte Ritter und Herren trugen, und ihn im Vaterland, in deutschen und wälschen Landen bekannt machten. In ältesten Zeiten gehörte die Veste den edlen Maulrappen und von diesen ging sie im dreizehnten Jahrhundert an die Herren von Villanders über, welche ihren Namen von einem jetzt verschwundenen Schlosse ober Klausen führten. Konrad von Villanders, Burggraf zu Seben, nannte sich 1325 zuerst von Wolkenstein. Unter dieser Benennung blüht das Geschlecht noch jetzo in mehreren Zweigen. Zur Zeit Herzog Friedrichs mit der leeren Tasche hielt sich Oswald von Wolkenstein öfter selbstverbannt in dieser seiner Veste, um den Lauf der Zeiten abzuwarten. Oswald von Wolkenstein war überhaupt ein halber Grödner und im Krautwälsch erfahren wie einer, denn auf der nahen Trostburg geboren, verlebte er einen guten Theil seiner Knabenjahre unter den Bauern von Gardena. Auf seinen Ritterfahrten nach Italien, in die Provence, nach Spanien und Portugal fand er, wie es den spätern Schnitzlern ging, daß alles, was in solchen Ländern geredet werde, nichts anders sey, als ein verschieden aufgeputztes Grödnerisch. Mit dieser Sprache kam er auch in Aragonien recht gut durch und die schöne Königin scheint er gar wohl verstanden zu haben, als sie ihm mit Händlein weiß ein Ringlein in den Bart band und dazu die Worte sprach: Non may plus disligaides. *)[1] Seine Ritterzüge lassen sich wie ein Vorbild ansehen, das


  1. *) Non may plus disligaides, zu Deutsch: Bindet es nicht mehr los. Der Anfang des Gedichtes, welches auch Lewald S. 158 mittheilt, lautet:

    Ain künigin von Arragon was schon und zart,
    dafur ich koyet zu willen raicht ich ir den bart,
    mit hendlein wey so band sie darein ein ringlin zart,
    lieplich und sprach: non may plus disligaides!
    Von ihren handen ward ich in die oren mein
    gestochen durch mit einem messin nädeleln,
    nach ir gewonheit sloß sy mir zwen ring dorein,
    die trug ich lang und nennt man sy: raycades.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_454.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)