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das Hüfthorn höre, so mein’ ich, ich müßt’ aus den Schuhen springen!“ Da konnte das Schwesterchen nicht anders und schloß ihm mit schwerem Herzen die Thüre auf und das Rehchen sprang ganz gesund und fröhlich in den Wald. Als es der König erblickte, sprach er zu seinen Jägern: „Nun jagt ihm nach den ganzen Tag bis in die Nacht, aber daß ihm Keiner etwas zu Leid thut.“ Wie die Sonne untergegangen war, da sprach der König zum Jäger: „nun komm und zeig mir das Waldhäuschen.“ Und als er vor dem Thürlein war, klopfte er an und rief: „Lieb Schwesterlein, laß mich herein!“ Da ging die Thüre auf und der König trat hinein und da stand ein Mädchen, das war so schön, wie er noch keins gesehen hatte. Das Mädchen aber war erschrocken, daß nicht sein Rehlein, sondern ein König mit goldener Krone herein gekommen war. Aber der König sah es freundlich an, reichte ihm die Hand und sprach: „Willst du mit mir gehen auf mein Schloß und meine liebe Frau werden?“ „Ach ja, antwortete das Mädchen, aber das Rehchen muß auch mit, das verlaß ich nicht.“ Sprach der König: „Es soll bei dir bleiben, so lange du lebst und soll ihm an nichts fehlen.“ Indem kam es herein gesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand und ging mit ihm zum Waldhäuschen hinaus.

Der König führte das schöne Mädchen in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde und war es nun die Frau Königin und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt und sprang in dem Schloßgarten

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_062.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)