Seite:De Kinder und Hausmärchen Grimm 1819 V1 296.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Pferd, das fraß nicht, der Vogel, der pfiff nicht und die Jungfrau, die weinte.

Ihr jüngster Bruder lag unten im Brunnen, der zum Glück trocken war, und wiewohl er keins seiner Glieder gebrochen hatte, konnte er doch keinen Weg finden, um heraus zu kommen. Indessen kam der alte Fuchs noch einmal, schalt ihn aus, daß er ihm nicht gehört, sonst wäre ihm nichts davon begegnet; „doch aber kann ichs nicht lassen und muß dir heraushelfen; pack an meinen Schwanz und halte fest.“ Darauf kroch der Fuchs und schleppte ihn zum Brunnen heraus. Wie sie oben waren, sagte der Fuchs: „deine Brüder haben Wächter gesetzt, die dich tödten sollen, wenn du über die Grenze kämest.“ Da zog er armen Mannes Kleider an und kam unbekannt bis an des Königs Hof, und kaum war er da, so fraß das Pferd, so pfiff der Vogel und die Jungfrau hörte Weinens auf. Der König fragte verwundert: „was das zu bedeuten habe.“ „Ich weiß es nicht, sagte die Königstochter, aber ich war so traurig und nun bin ich so fröhlich. Es ist, als wäre mein rechter Bräutigam gekommen.“ Da erzählte sie ihm alles, obgleich die andern Brüder ihr den Tod angedroht hatten, wenn sie etwas verrathen würde. Der König hieß alle Leute vor sich bringen, die in seinem Schloß waren, da kam er auch, aber die Königstochter erkannte ihn, ungeachtet seiner schlechten Kleider gleich und fiel ihm um den Hals. Die Brüder wurden ergriffen und hingerichtet, und er bekam die schöne Jungfrau und nach des Königs Tode das Reich.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_296.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)