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Mit dieser Ansicht von einer allbelebten Natur hängt auch das Uebergehen in eine andere Gestalt zusammen, und die hier verwandelten Steine, Bäume, Pflanzen, sind eigentlich geistig belebte. So schwört auch in der Edda dem Baldur die ganze Natur, nicht bloß Vögel und Thiere, sondern auch Feuer, Wasser, Eisen, Erz, Steine und Bäume Sicherheit vor aller Gefahr und hernach beweinen sie seinen Tod. Selbst die Zauberei, deren Macht sich hier so oft wirksam zeigt, beruht auf diesem Glauben, von einem allen Dingen inwohnenden Geist, über welchen man Herrschaft erlangen und ausüben kann.

Der Gegensatz des Guten und Bösen ist häufig durch schwarz und weiß, Licht und Finsterniß ausgedrückt. Die guten, Hilfe bringenden Geister sind fast immer weiße Vögel, und werden sie genannt: die reinen, gallenlosen Tauben; die bösen aber und Unheil verkündenden, sind schwarze Raben. Es sind die schwarzen und weißen Alfen der nordischen Mythologie, welche die höchsten Götter eben so unterscheiden mochte, da Heindal der Weltbestrahler[1] der weiße Ase ausdrücklich heißt, und Balder lichtbestrahlend ist. Aber auch bei Menschen wird auf diese Weise der Gegensatz bezeichnet. Das fromme Mädchen wird weiß wie der Tag, das gottlose schwarz wie die Sünde (Nacht). So kennt die Edda Söhne des Tags Dags-synir, megir und die Tochter der Nacht. (Sigurdrifa’s Lied Nr. 4. und grönl. Atli’slieder Nr. 61.) und


  1. Vergl. gloss. edd. I. 553.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite XXXII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_v_032.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)