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Klinkern gepflasterten Gänge hinunter, die im Innern des Thurmes an Stelle einer Stiege spiralig bis zum Ausgange führen. Da gieng wieder Ernst an mir vorüber, er schritt etwas vornüber gebeugt und blutete im Gesicht. Und er sah mich wieder nicht an. Als ich an der Universität vorbei zur Frauenkirche kam, nahm ich meine Mütze ab und trat ein. Da war’s aber wieder gar nicht die Frauenkirche, sondern die Dorfkirche von Byrum auf Laesö, wo ich geboren bin. Und in der Mitte der Kirche stand ein schwarz angestrichener Sarg, in dem lag ein junger Mann, der wie Ernst aussah, er hatte die Hände über der Brust gekreuzt und ein weißseidenes Tuch um den Hals geschlungen, welches voll rother Flecken war. Aus dem Seitenschiff der Kirche aber kam meine Mutter auf mich zugegangen in einem schwarzen Kleid, und lächelte und grüßte mich freundlich. Da fiengen vor der Kirche viele hundert Nachtigallen zu schlagen an, und durch die schmalen Fenster brach die Sonne und warf große, lichte Kringel auf die Seitenwände des Sarges und das Antlitz des Todten. Meine Mutter aber streichelte meine Wangen und sagte plötzlich sehr traurig zu mir nur zwei Worte: „Min Lev“ und kniete sich hin. Ich ließ mich neben ihr nieder. Und sie begann

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Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/102&oldid=- (Version vom 31.7.2018)