Seite:De Storm Zur Chronik von Grieshuus 127.jpg

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     Solches erzählete mir der Vater, in Freuden halb und halb in Kümmerniß; denn itzo war ich fast jeden Nachmittag ein Stündchen auf Grieshuus. — Am vierundzwanzigsten Januarius aber — es wird das Datum nimmer aus meinem Herzen schwinden — stand ich noch spät Abends in dem Schlafgemach der Tante Adelheid und schauete in den hellen Hof hinab und nach dem weiten Himmel, von wo der Mond und alle Sterne auf die Erde schienen. Die Tante vermeinete zu sterben, obwohl der Doktor sie noch ein Dutzend Jahre wollte leben lassen, und ich war, nachdem ich schon nach Haus gegangen, aufs Neue geholet worden, um ihr das heilige Abendmahl zu reichen. Die Wachskerzen waren eben ausgethan; sie lag in ihrem Himmelbette und seufzete nach dem Junker, um ihm noch ein ererbet Uhrlein mit Kette in die Hand zu geben. Die alte Matten saß an ihrem Lager; aber das übrige Haus war schon zur Ruhe.

     Da ich also in die stille Winternacht hinausschauete und mir beifiel, daß heut und übel Wetter doch nicht allezeit beisammen seien, hörte ich unten von der Thorfahrt her ein Rütteln an dem Eisengitter, das der Herr Oberst erst in dieser Zeit hatte davorsetzen lassen.

     »Auf! auf!« rief eine Weiberstimme, und noch einmal und lauter: »Machet auf; ich bin es!« 

     Wer war das? Aber ich wußte es schon und ging mit raschen Schritten nach der Thür.

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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_127.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)