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von Weiberkleidern an des Junkers Sarge, und eine dunkle Gestalt, die lautlos dort gelegen, richtete sich empor. Es war Abel, und ich ging zu ihr, reichte ihr die Hand und sagte: »Hat Sie ihn denn so sehr geliebet, Jungfer?« 

     Sie neigte nur das Haupt und sprach: »Es hat ihm nichts genützet.« 

     Aber mein Herz erzürnte sich wegen ihrer Trauer für den armen Knaben. »Gottes Barmherzigkeit«, sprach ich hart, »wird Alles ihm ersetzen.« 

     Da sahen ihre dunklen Augen fast gottlos in die meinen, als wollten sie mich lehren, daß nur ein Weib, nicht unser Herrgott selber, was er verloren, ihm ersetzen könne. Mir aber erschien in diesem Augenblick das Schweigen der Todten so ungeheuer, daß auch mein Mund verstummte. Ich blickte auf das starre Angesicht des Knaben, und eine Falte zwischen den fest geschlossenen Augen, so der Tod nicht ausgeglättet, däuchte mir zu sagen, daß er noch itzo seinem Schöpfer zürne, der ihn also früh berufen habe.

     Da hatte sich die Thür geöffnet, und unser Herr in voller schwedischer Obristenuniform, den Hut mit Federn auf dem Haupte, war eingetreten; aber seine Wangen waren schlaff und seine Augen müde; ihm folgeten die alte Matten und der Vetter mit der Tante Adelheid, welche der Tod des Knaben von ihrem Bette aufgetrieben hatte.

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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_142.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)