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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Frau! Welche Bübin und Heuchlerin! – Keine Aufwallung, lieber Leser, keine Partheilichkeit! – Laß die Waage der Gerechtigkeit entscheiden!

Schwärzere Thaten, als diese war, geschehen täglich unter dem Monde, nur mit weniger Absicht und Seele. Hassen und fürchten kannst du die Marquisin, doch verachten wirst du sie nie. Gräßlich und unerhört war ihre Rache, aber Eigennuz befleckte sie nicht. Hätte diese Dame eben das und noch mehr gethan, ihrem rechtmäßigen Gemahl Belohnungen auszuwirken – hätte sie ihre Tugend einem Staatsminister, oder auch nur seinem ersten Schreiber geopfert, ein Ordensband, oder ein Regiment für ihn zu erwuchern – hätte sie sich einem Pfründenvergeber für eine reiche Präbende überlassen, das alles würdest du sehr natürlich finden, die Allgewalt der Gewohnheit spräche dafür. Aber jezt – jezt, da sie an einem Treulosen Rache nimmt, empören sich deine Gefühle. Nicht, weil dein Herz für diese Handlung zu weich ist – weil du es der Mühe nicht werth achtest, in die Tiefe ihres Kummers hinabzusteigen, weil du zu stolz bist, weibliche Tugend anzuerkennen, findest du ihre Ahndung abscheulich. Hast du dich auch wohl erinnert, welche Opfer sie ihrem Liebling

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_091.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)