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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

ich selber nie gegriffen habe, mich
zum mindesten für dem Erröthen schüzen.
Mit Spaniens Gebräuchen nicht bekannt,
Pariserin von Launen und Geblüte,
gab ich dem Zuge meines Herzens nach,
das lange schon, der Hofgaleere gram,
nach einem freien Augenblick sich sehnte.
Gibts ein Gesez in diesem Königreich,
das vor Gericht Monarchentöchter fodert?
Blos Zwang bewacht die Frauen Spaniens?
Schüzt sie ein Zeuge mehr als ihre Tugend? –
Geraume Zeit, eh König Philipp mich
Gemahlin hieß, war ich schon Heinrichs Tochter –
Wenn Ehre zu verlezen war, so fürcht ich,
stand eine größre auf dem Spiel, als mir
Kastilien zur Morgengabe brachte?
Und jezt Vergebung, mein Gemahl – ich bin
es nicht gewohnt, die mir mit Freude dienten,
in Tränen zu entlassen – – Mondekar!
(indem sie ihren Gürtel abnimmt, und der Marquisin überreicht)
Den König haben sie erzürnt, nicht mich,
drum nehmen sie diß Denkmal meiner Gnade
und dieser Stunde. – Meiden sie das Reich –
Sie haben nur in Spanien gesündigt,
in meinem Frankreich wischt man solche Tränen
mit Freuden ab – O muß michs ewig mahnen!
(sie lehnt sich an eine Dame, und verbirgt ihr Gesicht)
in meinem Frankreich wars doch anders.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_159.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)