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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Er trachtete nach der Eroberung von Britannien, denn er verabscheute alles, was frei war. Wäre es Drake nicht gelungen, hundert seiner Schiffe im Hafen von Cadix zu verbrennen, und hätte nicht ein wohlthätiger Sturm jene furchtbare Flotte zerstreut, die mit dem Namen der Unüberwindlichen pralte, so war dieser glükliche Freistaat aus dem Globus vertilgt[1]. Welcher Zuwachs seiner Größe, wenn er auch noch dieses mächtige Reich mit seinen vielen Erbländern hätte vereinigen können!


  1. Diese merkwürdige Begebenheit hat ein Dichter jener Zeit in folgender Ode besungen:

    Die unüberwindliche Flotte.

    Sie kömmt – sie kömmt des Mittags stolze Flotte,
         das Weltmeer wimmert unter ihr,
    mit Kettenklang und einem neuen Gotte
         und tausend Donnern, naht sie dir –

    5
    Ein schwimmend Heer furchtbarer Citadellen

         (der Ocean sah ihres gleichen nie)
    unüberwindlich nennt man sie,
         zieht sie einher auf den erschroknen Wellen;
    den stolzen Namen weiht

    10
         der Schreken, den sie um sich speit.


    Mit majestätisch-stillem Schritte
    trägt seine Last der zitternde Neptun,
         Weltuntergang in ihrer Mitte,
    naht sie heran und alle Stürme ruhn.

    [77]
    15
         Dir gegenüber steht sie da,

    Glükselge Insel – Herrscherin der Meere,
    dir drohen diese Gallionenheere,
         großherzige Britannia.
    Weh deinem freigebohrnen Volke!

    20
    Da steht sie, eine wetterschwangre Wolke.


    Wer hat das hohe Kleinod dir errungen,
         das zu der Länder Fürstin dich gemacht?
    Hast du nicht selbst von stolzen Königen gezwungen,
         der Reichsgeseze weisestes erdacht,

    25
    das große Blatt, das deine Könige zu Bürgern,

         zu Fürsten deine Bürger macht?
         Der Segel stolze Obermacht
    hast du sie nicht von Millionen Würgern
         erstritten in der Wasserschlacht?

    30
    Wem dankst du sie – erröthet Völker dieser Erde –

    wem sonst als deinem Geist und deinem Schwerde?

    Unglükliche – blik hin auf diese feuerwerfenden Kolossen,
    blik hin und ahnde deines Ruhmes Fall,
         bang schaut auf dich der Erdenball,

    35
    und aller freien Männer Herzen schlagen,

    und alle gute schöne Seelen klagen
         theilnehmend deines Ruhmes Fall.

    [78]

         Gott der Allmächtge sah herab,
    sah deines Feindes stolze Löwenflaggen wehen,

    40
         sah drohend offen dein gewisses Grab –

    Soll, sprach er, soll mein Albion vergehen,
         erlöschen meiner Helden Stamm,
    der Unterdrükung lezter Felsendamm
    zusammenstürzen, die Tirannenwehre

    45
    vernichtet sein von dieser Hemisphäre?

         Nie, rief er, soll der Freiheit Paradies,
    der Menschenwürde starker Schirm verschwinden!
         Gott der Allmächtge blies,
    und die Armada flog nach allen Winden.

    Die zween leztern Verse sind eine Anspielung auf die Medaille, welche Elisabeth zum Andenken ihres Sieges schlagen ließ. Es wird auf derselben eine Flotte vorgestellt, welche im Sturm untergeht, mit der bescheidenen Inschrift: Afflavit Deus et dissipati sunt.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_076.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)