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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

auch ein vortreffliches Herz besitzen, als er das, was er an sich selbst liebet, an einem andern nicht hassen kann. Wenn die Erfahrung dagegen zu streiten scheint, so hat man entweder zu freigebig von seinem Verstande, oder von moralischer Güte zu eingeschränkt geurtheilt. Ein großer Geist mit einem empfindenden Herzen steht in der Ordnung der Wesen eben so hoch über dem geistreichen Bösewicht, als der Dummkopf mit einem weichen, man sagt beßer, weichlichen, Herzen unter diesem stehet.“

Aber ein Schwärmer und einer von der heftigen Art ist doch offenbar ein thätigeres Wesen, als ein Alltagsmensch mit phlegmatischem Blut und beschränkten Sinnen?

„Bei einem noch so phlegmatischen beschränkten Alltagsmenschen kommt doch jede Kraft zum Wirken, weil keine von der andern verdrängt wird. Er ist ein Mensch in gesundem Schlafe; der Schwärmer ist einem Phrenetischrasenden gleich, der sich in wüthenden Konvulsionen wirft, wenn die Lebenskraft bereits in den äußersten Arterien aufhört. – Haben Sie noch eine Einwendung?“

Ich bin mit Ihnen überzeugt, daß die Moralität des Menschen in dem Mehr oder Weniger seiner innern Thätigkeit enthalten ist.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_151.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)