Seite:De Thalia Band2 Heft7 084.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

nichts mehr lieben als das, und in dieser Welt wird nichts anders mehr auf dich wirken!“

Denken Sie nach, gnädigster Herr, in welcher reitzbaren Stimmung Sie waren, als diese Erscheinung Sie überraschte, und wie vieles zusammen kam, Ihre Einbildungskraft zu spannen. Aus dem hellen blendenden Tageslicht, aus dem Gewühle der Straße plötzlich in diese stille Dunkelheit versezt – ganz den Empfindungen hingegeben, die, wie Sie selbst gestehen, die Stille, die Majestät dieses Orts in Ihnen rege machte – durch Betrachtung schöner Kunstwerke für Schönheit überhaupt empfänglicher gemacht – zugleich allein und einsam Ihrer Meinung nach – und nun auf einmal – in dieser Nähe – von einer Mädchengestalt überrascht, wo Sie Sich keines Zeugen versahen – von einer Schönheit, wie ich Ihnen gerne zugebe, die durch eine vortheilhafte Beleuchtung, eine glückliche Stellung, einen Ausdruck begeisterter Andacht noch mehr erhoben ward – was war natürlicher, als daß Ihre entzündete Phantasie sich etwas idealisches, etwas überirdischvollkommenes daraus zusammensezte.

„Kann die Phantasie etwas geben, was sie nie empfangen hat? – und im ganzen Gebiethe meiner Darstellung ist nichts, was ich mit diesem Bilde zusammenstellen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_084.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)