Sserjoscha hörte gespannt zu und blickte dem Vater, ohne zu zwinkern, in die Augen. Der Staatsanwalt fuhr fort und fragte sich: – Was weiter? – Er zog die Geschichte sehr in die Länge, trat alles breit und endete so:
„Der Prinz wurde vom Rauchen schwindsüchtig und starb, als er erst zwanzig Jahre alt war. Der kranke, alte Vater blieb ohne jede Hilfe. Es war niemand da, um das Königreich zu regieren und das Schloß zu verteidigen. Da kamen die Feinde, töteten den Alten, zerstörten das Schloß, und jetzt gibt es im Garten weder die Kirschbäume, noch die Vögel, noch die Glasglocken. Ja, so ist’s, mein Lieber…“
Dieser Schluß kam Jewgenij Petrowitsch selbst lächerlich und naiv vor, aber auf Sserjoscha machte das Märchen einen starken Eindruck. Seine Augen waren wieder von Trauer und etwas wie Entsetzen verschleiert; er blickte eine Weile auf das dunkle Fenster, fuhr dann zusammen und sagte mit verzagter Stimme:
„Ich werde nicht mehr rauchen…“
Als er sich verabschiedet hatte und gegangen war, ging sein Vater langsam auf und ab und lächelte.
– Man wird sagen, daß es die schöne künstlerische Form war, was auf ihn diesen Eindruck machte, – dachte er sich: – meinetwegen, aber das ist kein Trost. Das ist trotz allem nicht das richtige Mittel… Warum müssen die Wahrheit und die Moral nicht in ihrer rohen Form, sondern unbedingt mit Beimischungen, wie die Pillen verzuckert und vergoldet, dargereicht werden? Das ist nicht normal… Fälschung, Betrug… Kunststücke… –
Er dachte an die Geschworenen, denen man unbedingt eine „Rede“ halten muß, an das große Publikum, das die Weltgeschichte nur aus Heldengesängen und historischen Romanen
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/075&oldid=- (Version vom 31.7.2018)