Die Nacht war hereingebrochen. Der Küster Ssawelij Gykin lag in seiner Wächterhütte bei der Kirche in dem riesigen Bett und konnte nicht schlafen, wenn er auch gewöhnt war, immer mit den Hühnern einzuschlafen. Unter dem einen Rande der schmierigen, aus verschiedenfarbigen Kattunflicken zusammengestoppelten Bettdecke schauten seine fuchsigen, struppigen Haare hervor, unter dem anderen seine großen, lange nicht mehr gewaschenen Füße. Er horchte… Sein Wächterhäuschen war direkt in die Friedhofmauer eingebaut, und sein einziges Fenster ging aufs freie Feld hinaus. Draußen tobte ein richtiger Krieg. Schwer war’s zu verstehen, wer dort einem andern das Lebenslicht ausblasen wollte, und zu wessen Untergang der Wirrwarr in der Natur sich zusammenballte. Aber nach dem unerbittlichen, bösartigen Geheul schien es einem ans Leben zu gehen. Irgendeine sieghafte Kraft verfolgte einen und jagte ihn übers Feld, toste im Walde und ratterte mit dem Kirchendach, schlug mit harten Fäusten ans Fenster, fegte dahin und heulte, und irgend etwas Besiegtes winselte und weinte… Das klägliche Weinen ertönte bald vor dem Fenster, bald über dem Dach, dann wieder im Ofen. Es war kein Ruf nach Hilfe darin, nur Trauer und die Erkenntnis, daß es schon zu spät, daß keine Rettung mehr möglich war. Die Schneewehen überzogen sich mit einer dünnen Eisrinde; auf ihnen und an den Bäumen zitterten Tränen, auf den Wegen und Pfaden floß eine Brühe aus Schmutz und geschmolzenem Schnee. Mit
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/079&oldid=- (Version vom 31.7.2018)