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du nicht fahren, darfst du aber auch nicht… schlafen, das geht nicht.“

Der Schaffner fuhr auf, setzte sich, ließ seinen trüben Blick durch das Wächterhäuschen wandern und legte sich wieder hin.

„Wann willst du denn fahren?“ schlug Ssawelij mit der Zunge Alarm und zog ihn am Aermel. „Deshalb ist es doch eine Post, daß sie zur rechten Zeit ankommt, verstanden? Ich zeig’ euch den Weg.“

Der Schaffner machte die Augen auf. Warm und matt von der Süßigkeit des ersten Schlafes, noch nicht ganz wach, sah er wie in einem Nebel den weißen Hals und den regungslosen, weichen Blick der Küsterin und schloß die Augen und lächelte, als träumte ihm das alles nur.

„Wo sollen sie bei dem Wetter denn hinfahren,“ so hörte er eine weiche Frauenstimme sprechen, „laß sie doch schlafen! Und mög’ es ihnen gut bekommen!“

„Und die Post?“ eiferte Ssawelij. „Wer bringt die Post hin? Bringst du sie vielleicht hin? Du?“

Der Schaffner öffnete wieder die Augen, sah die beweglichen Grübchen im Gesicht der Küsterin, erinnerte sich, wo er war, und verstand Ssawelij endlich. Der Gedanke an die bevorstehende Fahrt in der kalten Dunkelheit lief ihm in kalten Schauern vom Kopf durch den ganzen Körper, und er kroch in sich zusammen.

„Fünf Minuten können wir noch schlafen…“ gähnte er, „zu spät kommen wir sowieso.“

„Aber vielleicht kommen wir noch gerade zur Zeit!“ ertönte die Stimme des Kutschers vom Flur. „Weißt du, das Wetter ist schlecht, und wir können Glück haben, und der Zug hat auch Verspätung.“

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Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/092&oldid=- (Version vom 31.7.2018)