Entweder[WS 1] schieß ich mir eine Kugel vor den Kopf, oder – oder fange an, zu trinken. Gut wird’s nicht ablaufen! Alles hat seine Grenzen, auch der Kampf gegen die Natur. Sagen Sie, wie kann man gegen den Wahnsinn kämpfen? Oder wenn man Wein getrunken hat, wie kann man da die Erregung überwinden? Was kann ich denn machen, wenn Ihr Bild mir ans Herz gewachsen ist und ohne Unterlaß, Tag und Nacht mir vor den Augen steht, wie jetzt diese Fichte? Nun sagen Sie doch, was für eine Heldentat soll ich vollbringen, um mich aus diesem ekelhaften unglücklichen Zustand zu befreien, wo alle meine Gedanken, Wünsche und Träume nicht mir, sondern irgendeinem Dämon, der in mir steckt, gehören? Ich liebe Sie, liebe Sie so sehr, daß ich ganz aus dem Geleise gekommen bin, meine Geschäfte und Angehörigen, meinen Gott verlassen habe! Noch nie im Leben habe ich so geliebt!“
Ssofja Petrowna, die einen solchen Uebergang nicht erwartet hatte, bog ihren Körper zurück und betrachtete erschrocken Iljins Gesicht. Die Tränen standen ihm in den Augen, seine Lippen bebten und über sein ganzes Gesicht war ein hungriger, flehender Ausdruck gegossen.
„Ich liebe Sie!“ stammelte er, seine Augen ihren großen erschrockenen Augen nähernd. – „Sie sind so schön! Ich leide jetzt, aber ich schwöre Ihnen, mein ganzes Leben möchte ich so sitzen, leiden und in Ihre Augen schauen. Ach… schweigen Sie, ich bitte Sie!“
Ssofja Petrowna war gleichsam überrumpelt und suchte rasch nach Worten, um Iljin zu unterbrechen. „Ich will weggehen“ beschloß sie, aber kaum hatte sie eine Bewegung gemacht, um sich zu erheben, als Iljin schon zu ihren Füßen auf den Knien lag… Er umarmte ihre Knie, blickte ihr
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Endweder
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/107&oldid=- (Version vom 31.7.2018)