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sich, sah Korosteljow an und dachte sich: – Ist es denn nicht langweilig, so ein einfacher, durch nichts bemerkenswerter, unbekannter Mensch zu sein, und obendrein mit einem so abgelebten Gesicht und so schlechten Manieren? – Bald schien es ihr, daß Gott sie augenblicklich töten würde, weil sie, aus Furcht vor Ansteckung, noch kein einziges Mal bei ihrem Mann im Kabinett gewesen war. Im allgemeinen herrschte aber ein stumpfes, elendes Gefühl vor und die Ueberzeugung, daß das Leben schon verdorben sei und sich nicht mehr ändern ließe…

Nach dem Essen brach die Abenddämmerung an. Als Olga Iwanowna ins Gastzimmer trat, schlief Korosteljow auf dem Sofa, ein goldgesticktes Kissen unter dem Kopf. „Kchi-pua…“ schnarchte er: „kchi-pua.“

Auch die Aerzte, die einander ablösten, merkten diese Unordnung nicht. Daß ein fremder Mensch im Gastzimmer schlief und schnarchte, die Skizzen an den Wänden, die sonderbare Einrichtung und daß die Hausfrau unfrisiert und unordentlich gekleidet war, – weckte in ihnen nicht das geringste Interesse. Einer der Aerzte lachte einmal zufällig auf, und dieses Lachen klang so sonderbar und scheu, daß es sogar unheimlich war.

Als Olga Iwanowna zum zweitenmal ins Gastzimmer kam, schlief Korosteljow nicht mehr, sondern saß und rauchte.

„Er hat Diphtherie der Nasenhöhle,“ sagt er leise. „Auch das Herz arbeitet schon recht mäßig. Eigentlich steht die Sache schlimm.“

„Lassen Sie doch den Schreck kommen,“ sagte Olga Iwanowna.

„Er war schon da. Er hat ja auch festgestellt, daß die Diphtherie die Nasenhöhle ergriffen hat. Aber was ist

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Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/169&oldid=- (Version vom 31.7.2018)