sagte sie. „Anfangs war es mir unheimlich, aber jetzt beneide ich sie. Sie ist ein unerschütterlicher Fels, der sich nicht mehr verrücken läßt. Hat sie aber wirklich keinen anderen Ausweg gehabt, Wolodja? Bedeutet denn dieses Begrabensein bei lebendigem Leibe die Lösung aller Lebensfragen? Das ist ja der Tod und kein Leben.“
Als sie Olja erwähnte, drückte das Gesicht Wolodjas des Kleinen Rührung aus.
„Sie sind ein kluger Mensch, Wolodja,“ sagte Ssofja Lwowna. „Lehren Sie mich, daß ich ihrem Beispiele folgen soll. Ich bin zwar ungläubig und werde nie ins Kloster gehen, kann aber doch wohl etwas tun, was dem gleich käme. Mein Leben ist nicht leicht,“ fuhr sie nach einer Pause fort. „Belehren Sie mich doch. Sagen Sie mir etwas Ueberzeugendes, nur ein Wort.“
„Ein Wort? Ich bitte sehr: Tararabumdiä.“
„Wolodja, weshalb verachten Sie mich?“ fragte sie lebhaft. „Sie sprechen zu mir in einer besonderen, verzeihen Sie, geckenhaften Sprache, wie man mit seinen Freunden und anständigen Frauen nicht zu sprechen pflegt. Sie haben Erfolg als Gelehrter, Sie lieben die Wissenschaft, warum sprechen Sie aber mit mir nie von der Wissenschaft? Warum? Bin ich unwürdig?“
Wolodja der Kleine verzog geärgert das Gesicht und sagte:
„Warum verlangen Sie plötzlich nach der Wissenschaft? Wollen Sie vielleicht auch eine Verfassung? Oder vielleicht gar Stockfisch mit Meerrettich?“
„Also gut, ich bin eine unbedeutende, schlechte, prinzipienlose, beschränkte Frau… Ich habe eine Menge Fehler, ich bin überspannt und verdiene jede Verachtung. Sie sind aber um zehn Jahre älter als ich, Wolodja, und mein Mann ist
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/190&oldid=- (Version vom 31.7.2018)