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sie aus irgendeinem Grunde an jene Tante mit den verweinten Augen denken, die sich gleichfalls keinen Ort finden konnte.

Nachts fuhren sie aber wieder mit einer Troika und hörten Zigeunergesang in einem Vorstadtrestaurant. Und als sie am Kloster vorbeifuhren, dachte Ssofja Lwowna wieder an Olja, und es wurde ihr unheimlich beim Gedanken, daß es für die Frauen und Mädchen ihrer Kreise keinen anderen Ausweg gäbe, als unaufhörlich Troika zu fahren, oder ins Kloster zu gehen und das Fleisch abzutöten… Am nächsten Tag hatte sie aber eine Zusammenkunft mit Wolodja, und Ssofja Lwowna fuhr wieder allein mit einer Droschke durch die Stadt und dachte an die Tante.

Nach acht Tagen gab ihr Wolodja der Kleine den Laufpaß. Und dann begann wieder ein langweiliges, uninteressantes und zuweilen auch qualvolles Leben. Der Oberst und Wolodja der Kleine spielten stundenlang Billard und Piquet. Rita erzählte langweilig und fade ihre Witze, Ssofja Lwowna fuhr immer mit Droschken herum und bat ihren Mann, mit ihr wieder einmal Troika zu fahren.

Sie kam fast jeden Tag ins Kloster, setzte Olja zu, beklagte sich über ihre unerträgliche Qual und weinte. Dabei hatte sie das Gefühl, daß sie in die Klosterzelle etwas Unreines, Jämmerliches, Abgelebtes hereinbrachte. Olja aber sagte ihr mechanisch, wie man eine Lektion aufzusagen pflegt, daß alles keine Bedeutung habe, daß alles vergänglich sei und daß Gott ihr verzeihen werde.

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Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/193&oldid=- (Version vom 31.7.2018)