Seite:De merian Westphaliae 079.jpg

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Auß einer geschriebenen Chronica ist vns folgends vertrawlich communiciert worden. Nach den vralten Engerischen vnd Sächsischen Fürsten / hat Sachsenland Witekindus vor vnd nach Carolo Magno einbekommen / vnd nach seinen Antecessoren das Hauß / Vest vnd Burg Engern bewohnet / biß Carolus Magnus seiner deß Witekindi mächtig worden ist / hat er sothanes Hauptschloß Engern im Jahr 776. eingenommen / vnd Witekindo entwendet. Aber da Witekindus den Christlichen Glauben angenommen / hat der König Carolus ihm nicht allein das Hauß / sondern auch das gantze Fürstenthumb von Engern vnnd Sachsen zum Erbe wider auffgetragen / welches er bewohnet / vnd nachdem er allda eine Kirche / vnnd darbey ein herrliche Canonicasey selbst fundiert / vnnd erbawet / daselbsten begraben worden.

Nach dessen Absterben ist solches bey seinen Successoren / den Hertzogen von Sachsen verblieben / vnd haben dieselbe sothanes bewohnet / biß Ludolphus (dessen älter Vatter König Wedekind gewesen) den Fürstlichen Sitz vber die Weser in Ostphaliam transferiert / vnd haben endlich die Ostphalen ihren alten Titul fallen lassen / vnd allein den Sachsen Titul behalten / vnnd dargegen die Westphalen den Sachsen Titul fallen lassen / vnd allein Westphalen behalten. Von den Engerischen Fürsten seyn viel andere Fürstliche vnnd Gräffliche Geschlecht in die Welt getheilet.

Hertzog Heinrich der Löwe / welcher war deß heiligen Römischen Reichs Erbmarschalck / vnd Churfürst / Hertzog zu Sachsen vnnd Bayern / Graff zu Braunschweig vnd Lüneburg / vnnd Northeim / ein Herr von der Elbe / biß an den Rhein / hat auch diß Hauß vntergehabt / biß seine Feinde dasselbe gleichfals / wie mit andern seinen Landern geschehen / ihm abzunehmen sich vnterstanden. Dann / als derselbe im Jahr 1180. vom Keyser Friderico Barbarossa in Gegenwart deß Reichs verdampt / in die Acht erkläret / daß er aller seiner Landen beraubet werden solte / vnd dann einer hie / der ander dort / seine Länder angefallen. So hat Ertzbischoff Philippus von Cölln / so gewesen ein geborner Graff von Hingsberg / im Gülcherland am Rhein gelegen / vnd Reinoldo succediert in Westphalen / auch an sich viel zubringen sich vnterstanden / vnnd angefangen sich zu schreiben Hertzog in Westphalen (welchen Titul die Hertzogen auß Vnter-Sachsen / auß dem Geschlecht der Graffen von Anholt eben behalten.) Dem dann Hertzog Heinrich der Löw entgegen gezogen / vnnd mit seinen beystehenden Herrn / darunter auch gewesen Bernhard deß Namens / Graff zur Lippe / denselben in die Flucht getrieben. Vnnd weiln Hertzog Heinrich die getrewe Dienste G. Bernhards zur Lippe / gespüret / ob er wol selber seiner besten Länder beraubet war / vnd nicht wider gewinnen können / hat er doch / durch seine Männliche vnd Ritterliche Thaten / das Königliche Hauß Engern / in der Gegend Herford gelegen / mit Hülffe Graff Bernhards vnnd anderer Soldaten / wider eingenommen / vnnd da ers erhalten / hat er es zur Danckbarkeit / dem von der Lipp auffgetragen / vnd alle Fürstliche Gefälle / Ankünfft vnnd Rente darbey gelassen. Der Graff aber hat solche Gabe mit Danckbarkeit angenommen. Es wäre der Bischoff zu Oßnabrück / dem gantzen Engerischen Gebieth / da hohe Leut den Namen von geführet / vnnd sich Hertzoge von Engern genannt / gern (wie man spricht) in die Wolle gewesen / vnd das gantze Hauß / was darzu gehörig / zu sich gerissen / aber / dieweil es dem Graffen zur Lipp auffgetragen / hat sich auch der zur Lipp deß Hauses / dann es ein schön wolverwahrete vnd veste Burg war / also angenommen / daß ihn der Bischoff von Oßnabrück hat lassen passieren. Das hat den Bischoff von Oßnabrück sehr verdrossen / hat dannoch dargegen nichts vorgenommen / harrete aber / biß auff andere Gelegenheiten / fuhr demnach fort / da er ihm das gantze Hauß nicht vermögen zunehmen / hat er das Fürstliche Gebieth spoltiret. Vnd die Kirchspiel / Mell / Reimslag / Heuwel / vnd andere davon mit Gewalt abgenommen; wie auch andere Herrn mehr in demselben 1182. Jahr gethan. Der Graff von Ravensperg hat weggenommen / was Engern vmb Herford gehabt / der Graff von Tecklenburg / hat genommen die Statt Lübbecke vom Hauß Enger / vnd was darumb gelegen / hat angerichtet / vnnd gebawet den Reinneberg. Aber solches hat er nicht lang gebrauchet / dann der Bischoff von Minden / geborner Graff von Diepholt / hat es ihm genommen / vnnd in deß Stiffts Nutzen gewendet.

Daß dazumal also der Bischoff von Oßnabrück dem Engerischen Gebieth vnd Fürstlichen Hauß an Land vnd Leuten grossen Abbruch gethan / hat den nachfolgenden Herrn verdrossen / vnd weiln Graff Bernhard zur Lipp / deß Namens der Dritte / sich vnterstanden / das abgenommene wider beyzubringen. So hat es ihm doch gefehlet. Dessen Sohn aber / Graff Simon / deß Namens der Erste / hat sich endlich mit Heereskrafft / als ein streitbarer Held / darzu gerüst vnd gefast gemacht / dem Bischoff von Oßnabrück die Landgüter vnd Kerspiel / Rimschlage / Melle / Heyel / vnd andere Engerische Güter / welche seinem älter Vatter abgenommen / wider zu recuperieren. Es hatte Graff Simon zum Schutz vnd Zuflucht / die beyde Häuser vnd Stätte Engern vnd Rheden / darvon thäte er dem Bischoff / vnnd dessen Vnterthanen mercklichen Schaden. Also / daß sie jederzeit die Wacht gegen dem Graffen zur Lippe halten musten / vnd einer vmb den andern zusehen / ob der Graffe zur Lippe vorhanden wäre. Ob dann wol der Bischoff von Oßnabrück / durch seine Abgeordnete / Mündlich vnnd schrifftlich / bey dem Graffen / vmb Enderung deß feindlichen Gemühts / vnd daß er sich Nachbarlich verhalten möchte / angehalten. So ist doch solches beym Graffen zur Lippe / alles vnfruchtbar abgangen. Derhalben dann der Bischoff Anno 1299. sich auch feindlich gegen ihm verhalten / vnd zur Wehr stellen müssen. Vnd als der Graff im selbigen Jahr / mit einem ansehenlichen

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Westphaliae. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1647, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_merian_Westphaliae_079.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)