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Das tausendjährige Reich.

Ueber das tausendjährige Reich herrscht bei den Gläubigen viel Unklarheit, veranlaßt zum Teil auch durch Mißverstand der betreffenden Worte in unserm Augsburgischen Bekenntnis. In Gottes Namen wollen wir versuchen, ob wir nicht etwas mehr Klarheit ihnen darüber verschaffen können.

 Der Ausdruck „tausendjähriges Reich“ findet sich so in der Bibel nicht. Von einem tausendjährigen Regieren ist aber die Rede, nämlich Offenbarung Johannis 20, 4–6, und zwar von einem Regieren mit Christo. Zu diesem Regieren sind lediglich berufen diejenigen, welchen ihr Bekenntnis zu Christo das Leben gekostet hat, die um ihres Zeugnisses willen enthauptet worden sind, und die, welche den Antichrist nicht angebetet haben und infolgedessen nach Offenbarung Johannis 13 getötet worden sind. Die Seelen dieser Märtyrer sah Johannes aufleben und auf die Throne, die da gesetzt waren zum Regieren, sich niederlassen. Es ist allerdings nicht gesagt wo diese Throne aufgestellt waren, ob im Himmel oder sonst irgendwo; es will das bemerkt sein. Die christliche Fantasie hat hier freien Spielraum.

 Der eigentümliche Ausdruck „er sah sie aufleben“ ist wohl zu erklären nach Offenbarung Kap. 6, 9–11, wo der Seher die Seelen der Märtyrer unter dem Altar sieht, welche „an denen, so auf Erden wohnen,“ gerächt sein wollten, aber zum geduldigen Warten ermahnt werden, bis auch die Seelen der andern Gläubigen, die auch getötet werden sollten, noch hinzu kämen. Diese Seelen der Märtyrer sieht er aus ihrem Ruhezustand wieder in das tätige Leben eintreten; es wird ihnen ja das Gericht gegeben.

 Diese nun sind es, welche mit Christo regieren tausend Jahre. Die Schrift nennt diesen Vorgang die erste Auferstehung. Bei der Herrlichkeit, welche mit ihr verbunden ist, versteht man den Ausruf: „Selig und heilig, der teil hat an der ersten Auferstehung.“ Sie sind bereits in die volle Seligkeit und Herrlichkeit des ewigen Lebens versetzt.

 Wir können einigermaßen verstehen, wie es kommt, daß ihnen diese Auszeichnung zu teil wird. Vor den andern Christen mußten sie den Hohn des Feindes über ihr treues Festhalten an dem Herrn erdulden, als die Allergeringsten wurden sie dargestellt; nun wird ihnen aber auch besondere Herrlichkeit zu teil.

 An diesem herrlichen Los, an diesem tausendjährigen Regieren hat also kein lebender Mensch Anteil, sondern nur die Märtyrer;