Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/268

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Zehnten und Almosen halten sie streng und machen häufig Collecten für den Bedarf der Kirche.

Bald bestürmten mich Miß D. und Herr B, den Morgengebet-Stunden, worin die Uebung der „geistlichen Gaben“ betrieben wird, beizuwohnen und das Abendmahl zu empfangen, vor allem aber meine Beichte abzulegen. Beide bewiesen durch Bibelverse, daß die Ohrenbeichte von Gott verordnet sei und von den Kindern der Kirche unbedingt gefordert werde. Ich hatte dagegen nichts einzuwenden und begab mich in die Kirche, fest entschlossen, eine aufrichtige und reine Beichte abzulegen. Herr B. entwickelte dabei eine bewundernswürdige Bereitwilligkeit, mir auf die Sprünge zu helfen, indem er Fragen an mich richtete, die mich tief erröthen machten, obwohl ich sie allesammt mit gutem Gewissen verneinen konnte. Herr B. schüttelte verschmitzt lächelnd den Kopf und versicherte mich, daß die Geheimnisse der Beichte im Busen des Priesters vergraben blieben und daß unter seinen Beichtkindern sich Verbrecher aller Art befänden, welche, von der Kirche gereinigt und geheiligt, ihrer innigsten Liebe und Achtung sich erfreueten.

„Das glaube ich recht gern, sagte ich, aber ich kann doch nicht bekennen, was ich nicht begangen habe.“

Herr B. gab mir nach diesen Worten ein Buch, welches eine Form der Beichte enthielt, empfahl mir, dasselbe gründlich zu studiren und die von mir begangenen Sünden mit Bleistift anzustreichen, erlaubte mir aber noch nicht, am Abendmahle Theil zu nehmen. Dagegen forderte er mich auf, den geistlichen Uebungen beizuwohnen und mich den Einwirkungen des Geistes zu überlassen. Diese Exercitien fanden von früh 6 Uhr an statt, und ich verfügte mich daher zu dieser Stunde in die von einem feierlichen Halbdunkel erfüllte Kirche, in welcher hier und da Gruppen andächtiger Beter saßen. Um 6 Uhr ward die Thüre geschlossen. Rückwärts vom Altare saßen die Priester, neben dem Altare saß der „Engel der Kirche“, wie die Irviniten Herrn E… nannten, und ringsherum herrschte ein tiefes Schweigen.

„Uäck naaa bschumkrrring wapp“ kreischte plötzlich eine zitternde Alteweiberstimme im höchsten Discant, worauf alle sich nach der Gegend hinwandten, aus welcher der Schall kam. Miß D., die glücklicher Weise neben mir saß, flüsterte mir zu: „Die Gabe der fremden Sprachen!“ – Nach einer Pause rief eine geisterhafte Baßstimme, wie aus einem Grabe kommend: „O wehe, wehe, wehe denen, die ihre Sünden nicht