Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/40

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Gegenstand des Mitleids, denn viele Vorübergehende blieben stehen und sahen mich an. Ich kann mit Recht sagen, daß ein innerlicher Stolz mich stets hinderte, meine Gefühle zur Schau zu tragen, und zum Weinen bin ich gar nicht geneigt; aber als ich mich dem Doctor K. gegenüber befand, stürzten mir die Thränen aus den Augen. Der brennende Durst, der Tumult des Fiebers in meinem Blute, die unbeschreibliche Herzensangst machten mir das Sprechen unmöglich.

„Ich habe nicht viel Zeit," sagte der Geistliche sehr trocken.

Ich machte die Anstrengung einer Sterbenden und es bedurfte aller meiner moralischen Kraft, um mir die Sprache wieder zu geben. „Ich komme, sagte ich, Ihnen Belege für die Wahrheit meiner Aussage zu geben, hier sind die Zettel, auf welche Mistreß H. die Auslagen für Arzt und Apotheke, wie auch den von mir erhaltenen Ueberschuß berechnet hat. Dieses Wenige habe ich für mich und die in gleicher Lage befindliche Bonne, Mary B…, in Mistreß H. Hause verausgabt, und zwar für die uns fehlenden Nahrungsmittel. Gleichwohl ist meine Gesundheit durch übermäßige Anstrengungen, Entbehrungen und schlechte Behandlung so erschüttert, daß ich fortwährend des Arztes bedarf und mir nichts übrig bleibt, als in mein Vaterland zurückzukehren. Da sich aber meine Prinzipalität fortwährend weigert, mir meinen rückständigen Gehalt auszuzahlen, so fürchte ich, daß sie ihn mir wieder zu verkümmern gedenkt, und in dieser ganz hilflosen Lage habe ich die Gnade der Königin angerufen."

Mit diesen Worten reichte ich dem Kapellan die Rechnungen nebst der Adresse des Arztes und bat ihn dringend, sich bei diesem nach mir und Mary B… zu erkundigen. Er hatte mich mit sichtbarer Ungeduld angehört und die Zettel gelesen, und indem er sie von sich schob, sagte er kalt: „Mistreß H. ist eine eben so geachtete wie bekannte Dame und verdient, daß ihr Glauben beigemessen werde. Uebrigens wüßte ich nicht, woher ich die Zeit nehmen sollte, wenn ich mich um alle die Deutschen kümmern müßte, die hier nicht fortkommen können; es stürzen sich viele in die Themse, warum kommen sie herüber!" –

„Aber ich habe das königliche Versprechen, daß Ihre Majestät die Königin auf meine Bitte zu reflektiren geruht, erwiederte ich, und da Allerhöchstdieselbe Ew. Hochwürden mit der Untersuchung meiner Verhältnisse beauftragt hat, so ist es Ihre Pflicht, dies gründlich zu thun.“

Bei diesen Worten stand Doctor K. auf und entgegnete, daß er