hunderten von Belastungen konkretester Art auch nicht ein einziges annehmbares Entlastungszeugnis gegenüber steht, einen kompetenten Gerichtsbeschluß provoziert, wie das bei solchen Kapitalverbrechen in hundert Fällen neunundneunzig Mal zu geschehen pflegt? – Es darf übrigens auf das allerbestimmteste versichert werden, daß in Cleve selbst über das ganze Verfahren, soweit es bis jetzt durch diese Enthüllungen bekannt geworden ist, ebenfalls einstimmig der Stab gebrochen wird. Von vornherein hat man die Untersuchung in das undurchdringliche Dunkel gehüllt. Kein Hochverratsprozeß kann je mit größerer Geheimthuerei geführt worden sein, wie diese Untersuchung. Das ist so wahr, daß beispielsweise Clever Gerichtsherren und Rechtsanwälte, welche doch sonst gerade dort ganz genau über alle vorkommenden erheblichen Prozeßfälle unterrichtet sind, alle Einzelheiten in Sachen Buschoff erst durch die Presse erfahren haben! Das Versteckspiel ist soweit gegangen, daß eigentlich niemand genau weiß, welche von den zahlreichen Belastungszeugen vereidigt worden sind, geschweige denn, welche Aussagen sie beschworen haben!! Die Herren Brixius und Baumgardt scheinen es eben darauf abgesehen zu haben, für alle Fälle in dem pyramidalen Verfahren freie Hand zu behalten. Außer ihnen scheint eigentlich nur noch die durch den Rechtsanwalt Fleischhauer hauptsächlich vertretene Verteidigung von dessen befremdlichem Verlauf genaue Kenntnis gehabt zu haben. Im Clever Rathaus wenigstens wird erzählt, daß gerade dieser Herr sich für die Interessen der Buschoffs sehr eifrig verwandt hat. Der entlassene Schächter selbst hat in Neuß, wo er Bekannte traf, erklärt, er sei Herrn Fleischhauer dafür zum ewigen Danke verpflichtet! Und wer ist nun dieser Herr Fleischhauer, der als Anwalt selbstverständlich nur seine Pflicht erfüllt hat? Die Auskunft wird am besten sein Schwiegervater, Herr Untersuchungsrichter Brixius, erteilen. Eine landläufige Ableugnung würde, was diesen Punkt anbelangt, dem Herrn darum nichts nützen, weil er erforderlichen Falles unter Beweis gestellt werden wird. Herr Brixius selbst ist, wie ganz Cleve weiß, ein Magistrat in sehr vorgeschrittenem Alter. Ohne
Heinrich Oberwinder: Untersuchung über den Xantener Knabenmord. Vaterländische Verlagsanstalt, Berlin 1892, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Fall_Buschoff.djvu/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)