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mehr die vom Beifall New Yorks umbrauste „Duse der Oper“. Hier war sie eine wohlbekannte, achtungsvoll verehrte grosse Dame. Aber seltsam, hier sah Bara zum ersten Mal, dass seine Geliebte eine Frau von vierzig war, mit der erbarmungslosen Runenschrift ihrer aufregenden, immer auf Wirkung gestellten Vergangenheit in den Zügen. Gewiss, sie war noch immer eine sehr schöne, aparte Frau. Mit einem bizarren, exotischen Timbre. Das sah er. In ihrem schwarzen Haar war bisher, dank ihrem Künstlerfrisör, kein weisses Haar. Ihre Haut war frisch und jung und weich und duftig. Ihre Kosmetik, ihre Massage, das Training ihres Körpers waren erstklassig amerikanisch gewesen. Das hörte nun auf. Ihre Verjünger hatte sie in New York zurückgelassen. Der Ersatz auf dem Schiff ragte nicht über das gewöhnliche Mittelmass hinaus.

Auch hatten beide in New York getrennte Leben geführt. Er hatte sie zum Tee, bisweilen auch nach der Vorstellung besucht. Aber es waren doch ganz bestimmte Stunden gewesen, in denen sie schön und jung und angeregt und stürmisch gewesen war – für ihn. Jetzt, auf dem Schiff, wohnten sie zum ersten Mal eng beieinander. Wohl in getrennten Kabinen, aber es war doch ein gemeinsames Dasein. Vielleicht war es zu Anfang auch mehr dieses fast eheliche Leben, das ihn erschreckte und aus dem Trance seiner Verliebtheit erweckte. Vielleicht sah er anfangs nicht, dass die Geliebte nicht mehr die mit allen Mitteln raffinierter Körperkultur verjüngte Frau war. Er begann sie als eine Last und eine Torheit seines Lebens zu empfinden. Aber wer kann sagen, wann eine Liebe endet? Kennt man doch kaum den Grund, auf dem sie erblüht.

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)