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und sich abgeschunden und ist endlich hinaufgekommen, damit einen dann so ein elender hergelaufener Chorist an die Wand klatscht! Gemein! Widerlich! Ich konnte eine Weile nicht stehen, kann ich dir sagen, so weich waren mir die Knie geworden.“

Sie setzte sich. Auch ihr waren die Knie weich geworden. Sie sagte nichts. Ihr Idol war entgöttert. Er lief noch immer mit grossen Schritten auf und nieder. Es hatte etwas Komisches für sie, etwas Traurig-komisches, etwas Groteskes, dieses Weltwunder jammernd auf und nieder rennen zu sehen.

„Das ist ja das Grausige an unserm Beruf,“ klagte er. „Man kommt nie zur Ruhe. Man muss immer kämpfen und sich verteidigen. Lebt in ewigem Kampf mit dem Nachwuchs. Immer in Todesangst, dass einer kommt und einen aus dem Sattel hebt. Dauernd muss man seine Stellung verteidigen. Ewig auf dem Posten sein – und immer die würgende Angst vor dem Altwerden und Abgetansein.“

Sie schämte sich des zeternden Mannes.

„Und was ist aus dem Choristen geworden?“ fragte sie leise.

„Was soll aus ihm geworden sein?“ schalt er entrüstet über ihre unbegreifliche Teilnahme für den Andern. „Er ist wieder in den Chor zurückgekehrt, wohin er gehört.“

Er warf sich missmutig in den Stuhl, dass die Fugen krachten.

„Und obwohl er diese – diese unerhörte Stimme hat, wie du sagst, wird er weiter unbekannt und unberühmt dahinleben? Vielleicht

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/53&oldid=- (Version vom 7.1.2019)