Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. | |
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„Hier sind zehn Thaler“, sagte der Fremde, indem er in die Tasche griff und die zehn Silberstücke Herrn Lerche hinreichte, „das wird gerade hinreichen, um Sie nach X zu bringen.”
„Und dort dann?“
„Geben Sie diese Karte in der Redaction des Theaterblattes ab; der Eigenthümer ist ein guter Freund von mir.“
„Und wie soll ich hier im Hôtel meine Rechnung bezahlen?“
„Bester Freund“, lachte der Fremde, „die Idee mit dem Strick ist viel zu ausgezeichnet, als daß ich dazu beitragen möchte, sie zu vereiteln. Wenn Sie aber meinem Rath folgen, so befestigen Sie das Seil so, daß Sie es, wenn Sie unten sind, nachziehen können – es wird lang genug sein, und Sie können es vielleicht noch einmal gebrauchen.“
Lerche schauderte zusammen – war es die Berührung des Geldes oder der Gedanke an einen nochmaligen Selbstmordversuch, auf den der Fremde so kalt und fast höhnisch anspielte – aber das Geld brannte ihm nicht in der Hand, wie er anfangs in der That gefürchtet hatte, und scheu und leise sagte er nur:
„Verlangen Sie einen Schein dafür?“
Wieder legte sich der Zug von kaltem Spott über die unheimlichen Züge des Fremden.
„Glauben Sie, daß ich lumpiger zehn Thaler wegen einen Pact mit Ihnen eingehen würde, oder daß mich etwa gar nach Ihrer Seele verlangt? – Reisen Sie vollkommen ruhig, ich werde Sie nicht weiter beunruhigen; denn daß selbst mir ein Schein von Ihnen nichts hülfe, wissen Sie genau so gut wie ich.”
„Und wie soll ich Ihnen danken?“
„Daß Sie augenblicklich in Ihr Hôtel zurückgehen, Ihre Sachen in Ordnung bringen und dann gleich den Nachtzug nach Gießen benutzen.“
Lerche hatte sich bemüht, den auf der Karte fein gestochenen Namen bei Mondenlicht zu lesen, aber war es nicht im Stande – die Karte selber schien schwefelgelb und trug einen grellrothen schmalen Rand.
„Es steht nur mein Name darauf“, sagte der Fremde, der es bemerkte, „Edler von der Hölle – also auf Wiedersehen, lieber Freund!” Und rasch richtete er sich empor, nickte dem jungen Mann vertraulich zu und war schon in den nächsten Secunden in den dunklen Schatten des Kastanienwäldchens verschwunden.
Lange Jahre waren nach den oben beschriebenen Vorfällen verflossen – lange, bewegte Jahre, und wenn auch die Welt im Allgemeinen ruhig weiter ging, so verbitterte sich doch das rastlose Menschenvolk indessen die kurze, ihm hier vergönnte Spanne Zeit nach besten Kräften.
Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 398. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Herr_von_der_Hoelle-Gerstaecker-1870.djvu/14&oldid=- (Version vom 14.2.2021)