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dem Umschlag kann dem Gewicht nach kaum ein ganzer Briefbogen enthalten sein.“

Und wirklich: er zog nur ein einzelnes Blatt schwarzes Papier heraus.

„Ah – ein Damenschuh!“ rief Lady Blackmoore.

Es war in der Tat die Silhouette eines Damenhalbschuhs mit sehr hohen Absätzen, eines Spangenschuhs.

Ich dachte unwillkürlich sofort an die goldenen, brillantbesetzten Schuhe, die Lady Broog zu der Gesellschaftsrobe hier im Salon getragen hatte.

Harst drehte die kaum 12 Zentimeter lange Silhouette in der Hand hin und her und hielt sie gegen das Licht. Dann reichte er sie mir und prüfte den Umschlag, während Lady Blackmoore und ich die Köpfe über die Silhouette beugten. Das schwarze Papier war ziemlich dick und beiderseits schwarz, fühlte sich auch recht hart an.

„Der Umschlag enthält nichts weiter,“ erklärte Harald. „Mithin steckt die Mitteilung in dem Schuh.“

Wir drei tauschten ungläubige Blicke aus.

Harst rief einen Matrosen herbei. „Bringen Sie mir bitte eine kleine Schüssel lauwarmes Wasser.“

„Die Silhouette besteht aus zwei Stücken Papier,“ sagte er dann zu uns. „Es ist schwarzes Glanzpapier, das man mit den weißen Seiten zusammengeklebt hat. Wenn man ganz scharf hinsieht, bemerkt man auf der einen Seite des[1] Silhouetten-Schuhs eine Reihe feiner Wölbungen. Ich nehme an, daß dort mit Bleistift etwas geschrieben steht. Natürlich auf der weißen Seite. Die Schrift hat sich etwas durchgedrückt. Bleistiftzeilen verlaufen nicht, wenn man sie mit Kleister überzieht.“

Der Matrose brachte die Schüssel, und Harald legte den papiernen Spangenschuh in das Wasser.

„Was wird wohl diese Mitteilung enthalten, Master Harst?“ fragte Lady Blackmoore interessiert.

„Es sind höchstens sechs Worte,“ erwiderte Harald. „Zu einer Drohung genügen sechs Worte, Mylady.“ Er lächelte etwas. „Lady Broog liebt die Effekthascherei. Dieser Schuh ist eine ganz nette Spielerei. Anna Broog rechnete damit, daß ich die Mitteilung finden werde.“

Er versuchte, ob die Teile der Silhouette sich bereits trennen ließen.


  1. Vorlage: die
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Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/39&oldid=- (Version vom 31.7.2018)