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Er stand auf und schritt auf die Kabine rechts von mir zu.

Ich legte mich schnell auf den Diwan.

Eine halbe Stunde verging. Der Fremde hatte seine Opiumpfeife erhalten und regte sich nicht mehr.

Allmählich wurde mir das Warten doch langweilig. Der Opiumdunst, der den ganzen Raum durchzog, machte müde. Um nicht einzuschlafen, strengte ich mein Hirn durch scharfes Nachdenken an. Harald hatte mir zwar für den Besuch in Tschodris Opiumhöhle genaue Verhaltungsmaßregeln gegeben, mir aber nicht gesagt, weshalb er diesen Besuch für zweckdienlich halte. Er folgte eben wieder seiner alten Gewohnheit, mich nur halb einzuweihen. Er hatte lediglich erklärt: „Vielleicht finden wir den Schlüssel dieses Geheimnisses bei Tschodri.“

Ich gab mir die größte Mühe, alles das, was wir über des Lords Tod wußten, logisch zu vereinen[1] und das zu konstruieren, was man eine „Theorie“ nennt. Es wollte mir nicht glücken. Immerhin – ich blieb munter dabei.

Wieder war eine Stunde vergangen.

Da – aus Harsts Kabine eine matte, schlaftrunkene Stimme:

„Kaffee! Kaffee! Mio-Ka, – Kaffee!“

Mio-Ka war das hübsche Püppchen.

Ein anderes Püppchen betrat Harsts Kabine.

„Kaffee!“ stöhnte Harst, indem er den vom Opiumkater gepeinigten spielte.

Dann Tokarus Stimme:

„Sahib, es sind heute so sehr viel Gäste hier. Würdest Du den Kaffee nicht drüben in einem anderen Zimmer einnehmen?“

„Meinetwegen – nur Kaffee!“ stöhnte Harald wieder.

Ich hörte, wie Tokaru ihm auf die Beine half, wie beide hinausgingen.

Ich wartete noch eine Viertelstunde. Dann rief auch ich nach Kaffee, spielte ebenfalls den durch den Opiumkater schwer Leidenden.

Es wiederholte sich genau dasselbe wie bei Harst. Tokaru bat mich, im Zimmer drüben den Kaffee zu trinken. Ich nickte nur, stützte mich auf den Inder und ließ mich über den Flur in ein kleines Gemach bringen, wo Harald bereits in einem Korbsessel saß und – schlief, – das heißt, scheinbar schlief.

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Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/57&oldid=- (Version vom 31.7.2018)
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