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Wir gingen nun dicht am Wasser entlang. Schiff an Schiff lag hier vertäut. Ziehharmonikaklänge und Gesang umtönten uns. Halb trunkene Matrosen aller Nationen schwärmten umher. Händler schrien ihre Waren aus. Schlanke Inderinnen lauerten im Schatten von haushohen Stapeln von Fässern und Kisten. Dampfwinden kreischten. Von der Reede her klang das Heulen von Schiffssirenen herüber.

„Hier fühle ich mich wohl,“ sagte Davis und sog an seiner kurzen Pfeife. „Das ist für mich die schönste Musik: Ziehharmonika, Dampfpfeifen[1], Ankerkettenklirren und das Quietschen der ausschwingenden Kranbalken.“

Wir blieben stehen.

Harst schaute sich um, schaute hierhin und dorthin.

„Das da drüben ist eine Kneipe, nicht wahr?“ fragte er dann.

„Ja – die anständigste Hafenkneipe von Madras. Gleichzeitig Logierhaus. Gehört einem in ganz Indien bekannten Original, der Mutter Flepp. Hat jetzt Kummer, die Mutter Flepp. Ihre Tochter ist durchgebrannt.“

„Seit wann denn?“

„Hm – warten Sie mal. Richtig, seit Montag. Mutter Flepp ist wütend. Die Bessie war ein patentes Mädel, hatte Bildung und war so eine „Rühr’ mich nicht an“! Niemand weiß, mit wem sie auf und davon gegangen ist.“

„So – so,“ sagte Harald nur.

Wir gingen noch ein Stück weiter. Die Stelle am Kai, wo die Atlanta gelegen hatte, war noch nicht wieder besetzt worden. Die Jacht hatte hier zwischen zwei kleineren Seglern ihren Platz gehabt.

„Da liegt ja noch eine Jacht,“ meinte Harald, als wir an dem einen Segelschiff, einer Bark, vorüber waren.

„Ganz recht. Sie gehört einem Franzosen, der sich jetzt im Innern herumtreibt. Es ist nur eine Wache von drei Mann an Bord.“

„Gut, kehren wir zu unserem Wagen zurück.“

„Na sehen Sie, Master Harst,“ sagte Inspektor Davis lachend, „das war nun ziemlich zwecklos, diese Fahrt hierher.“

„Scheint so,“ erwiderte Harst zerstreut.

Ich merkte: es war nicht zwecklos gewesen! Irgend etwas hatte Harst entdeckt.

Davis fuhr nur bis zur Stuart Street mit. Wir verabschiedeten


  1. Vorlage: Dampffeifen
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)